1700 Höhenmeter im Großkessel.

 

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Dieses Wochenende sollte es für mich endlich wieder mal in die Niederen Tauern gehen. Geplant war es zwei Tage lang im Großkessel auf Skitouren-Jagd zu gehen und eine Nacht im Auto zu verbringen, um so viele Höhenmeter wie möglich zu machen. Gleich im Voraus: Aus diesem Vorhaben wurde leider nichts.

Alles von Anfang an: Am Freitag Abend war leider kein gemütlicher Fernsehabend angesagt, sondern der Umbau unseres Autos zu einer Wohnung. Gefühlte 100 Mal rannte ich von unserer Haustür zum Parkplatz und lud immer wieder neue Sachen ins Auto ein, bis ich schlussendlich ein kleines Wohnzimmer, ein Bett und eine winzig kleine Küche auf 5 m² hatte. Obwohl, von Laufen kann hier leider nicht die Rede sein, da ich mir am selben Tag noch im Schulturnen eine Oberschenkelverletzung zugezogen hatte, die mein Gehverhalten maßgeblich beeinträchtigte. Nichtsdestotrotz war ich sehr motiviert für dieses Wochenende und freute mich auf den ein oder anderen Pulverhang. Allerdings hatte ich auch ein wenig Angst, dass meine Verletzung dem ganzen Vorhaben etwas im Weg stehen könnte.

Am nächsten Morgen läutete um Punkt 4:00 Uhr morgens mein Wecker und ich kroch mit nur sehr wenig Schlaf aus dem Bett. Auf der langen Anfahrt nach Zederhaus (meinem heutigen Ausgangspunkt) machte sich der Schlafmangel kurz vor 6:00 Uhr, ca. 10 Kilometer vorm Tauerntunnel nochmals bemerkbar und ich bekam Probleme die Spur auf der Autobahn zu halten. Um nicht schon auf der Anreise zu sterben, beschloss ich kurz an einer Raststätte anzuhalten und mich für eine halbe Stunde aufs Ohr zu hauen. Aus 30 Minuten wurden letztendlich 1,5 Stunden, die mir aber sehr gut taten. Mit neuem Elan startete ich wieder das Auto und näherte mich dem Tauerntunnel.

Um ca. 8 Uhr erreichte ich die Schwarzenbichlhütte auf ca. 1.340 Meter und ich begann mich in meinem provisorischen Wohnzimmer umzuziehen. Um ca. 8:30 als die Wolkendecke gerade den Anschein machte etwas aufzureißen, wagte ich mich aus dem Auto und stieg in meine Tourenski.

Noch motiviert stieg ich in meine Ski

 

Hinter der Schwarzenbichlhütte (1.340 m) wollte sich die Sonne durchkämpfen

Es ging zuerst auf der verschneiten Straße bis zur “Mautstation Riedingtal”, dann aber links abzweigend in den Großkessel in Richtung Urbanbauernalm. Der erste Blick in den Kessel verriet, dass die Wolken womöglich doch noch nicht aufreißen werden und auch der Schneefall setzte wieder ein. Nach ca. 20 Minuten Gehzeit überholte ich zwei nette Skitourengeher vom oberösterreichischen Mattsee, die heute auf die Aignerhöhe schauen wollten und mich gleich noch nach dem richtigen Weg fragten.

An der “Mautstation Riedingtal”

 

Am Weg zu der Urbanbauernalm

An der Urbanbauernalm (wo auch die Muhrerhütte steht) angekommen, machte ich eine kleine Pause. Bis hierhin hatte ich ja eigentlich noch keinen wirklichen Plan , was ich heute gehen will, da ich alle Berge hier sehr gut kenne und ich heute eher auf Spontanaktionen vertraute. Nach kurzem Überlegen, beschloss ich erstmal nach Westen einen steilen Hang hinauf zu gehen und dann weiter zu schauen. Auf ca. 1.900 Meter angekommen, konnte ich kurzzeitig einen Blick auf den Schöpfing erhaschen. Diesen ließ ich aber vorerst, im wahrsten Sinne des Wortes, links liegen und beschloss kurzerhand ins Hintere Urbankar weiter aufzusteigen.

Urbanbauernalm

 

Im steilen Wald ging es weiter

 

Blick ins Hintere Urbankar

Im Hinteren Urbankar angekommen, wurden die Sichtverhältnisse immer schlechter und schon bald war die Sicht unter fünf Meter. Ich konnte mich nur noch an dem ein oder anderen Stein orientieren, der noch gerade so aus dem Schnee schaute. Da ich schon hier war und die Triebschneeauflage in diesem Bereich noch nicht allzu groß war, beschloss ich den Versuch zu wagen und aufs Kleine Mosermandl aufzusteigen. Ich orientierte mich an einer Art Rinne, die ich versuchte immer weiter hoch zu steigen. Leider wurde mir schnell klar, dass das hier mit Skiern wenig Sinn macht, da in der Rinne doch mehr loser Schnee lag, als ich eigentlich erwartet hatte. Nichtsdestotrotz wollte ich so leicht nicht aufgeben und ich suchte mir an der rechten Seite der Rinne einen halbwegs windgeschützten Platz an dem ich mein Skidepot auf ca. 2.380 Metern errichtete.

Die Sicht wurde immer schlechter

 

Skidepot auf ca. 2.380 Meter

Nun ging es mit den Tourenschuhen und Steigeisen weiter. Ich versuchte möglichst nahe am Felsrand der Rinne zu bleiben und quälte mich langsam im Schneesturm höher. Kurz vor der 2.500 Meter-Marke war ich absolut orientierungslos. Ich stand in einer komplett weißen, steilen Schneewüste und musste einsehen, dass das heute wohl nichts mehr werden wird. Der Gipfel wäre bei diesen Verhältnissen absolut unmöglich zu finden gewesen und schon langsam gingen auch immer wieder kleine Lawinen ab, die die Rinne hinab donnerten. Sehr deprimiert es nicht auf den Gipfel geschafft zu haben, machte ich mich also wieder an den Abstieg, bis ich mein Skidepot erreicht hatte. Dort machte ich mich abfahrt bereit und fuhr los.

Letztes Bild vorm Abbruch

 

Wieder zurück im Skidepot

Da die Sicht wirklich miserabel war, musste ich mich beim Abfahren  sehr konzentrieren um nicht zu stürzen. Da einfach alles so weiß war, konnte man die Formen des Hanges absolut nicht einschätzen und oft war ich mir nicht einmal noch sicher ob ich nun fuhr oder stand.
Als die Sicht auf ca. 2100 Meter wieder langsam besser wurde, sah ich auf einmal ca. 50 Meter unter mir eine Gruppe von ca. 20 Skitourengeher, die offensichtlich gerade still standen. Als ich sie endlich erreicht hatte, fragten sie mich wo ich gerade hergekommen bin und ob das denn nicht der Schöpfing sei. Nach mittellangen Smalltalk beschlossen sie mir zu folgen und gemeinsam  querten wir mit den Skiern vom Hinteren Urbankar in Richtung Schöpfing. Als ich dann wieder anfellen wollte um doch noch auf den Schöpfing zu gehen, beschlossen 5 Personen der Gruppe mir zu folgen und gemeinsam machten wir uns auf den Weg auf den ca. 200 Meter höher liegenden Schöpfing Gipfel. Die anderen fuhren teils genervt von diesem miserablen Skitourentag gleich ab ins Tal.

Der Schöpfing mit seiner mächtigen Gipfelwächte

Nach ca. einer halben Stunde erreichten wir den Gipfel und nach einer kurzen Stärkung, fuhren wir danach in feinstem Pulverschnee und etwas Sicht ab. Gegen 14:00 Uhr erreichte ich wieder das Auto und legte mich vorerst mit voller Montur in mein “Wohnzimmer”. Hier bemerkte ich erst wieder wie weh mein Oberschenkel eigentlich tat. Als ich nach kurzem Ausrasten wieder auf die Beine wollte, ging dies kaum und ich brauchte fast eine Stunde, bis ich wieder umgezogen war und die Ski im Auto verstaut hatte. Nun war mir klar, dass eine kalte Nacht im Auto heute wohl wenig Sinn machen würde und schweren Herzens beschloss ich doch noch heute wieder ins Innviertel heimzufahren.
Zuhause angekommen ließ ich mir eine warmes Bad ein und erholte mich von diesem wirklich sehr chaotischen und grausigen Tag.

Kurze Pause am Gipfel des Schöpfing

 

Schöpfing (2.143 Meter)