Es sind viele kleine Ideen, aus denen große Abenteuer entstehen: unvergesslich, unersetzlich.

Dufourspitze 4634m- Westgrat (SG III)
18. Juli 2016


Tagestour von Zermatt aus


4100 Höhenmeter, 52 Kilometer

Von Gabriel Egger

Überall Spalten. Kleine, große, zerfurchte, senkrechte, versteckte, weitläufige. Ein Labyrinth aus Eis, der Ausgang in der Dunkelheit verborgen. Der Kegel der Stirnlampe ist bedeutungslos, immer wieder scheint er auf dieselbe Stelle zu treffen. In der Nacht ist alles anders, weil alles gleich ist. “Moritz, wir sind da  falsch, das bringt nichts”. Lautes Schnaufen, leise Resignation. Fünf Uhr früh, mitten am Monte Rosa Gletscher. Es dauert noch, bis die ersten Sonnenstrahlen das nahe Matterhorn treffen. Und bis dahin sind wir hier gefangen. Sie wackelt, die Dufourspitze. Warum müssen wir den höchsten Berg der Schweiz auch als Tagestour besteigen wollen. Zwei Dickköpfe garantieren noch lange keinen Erfolg.

Am Anfang war das Zelt

Als wir die Dickköpfe um elf Uhr abends aus dem Zelt recken, wissen wir bereits, dass wir uns auf eine Odysee einlassen. Damit sind wir dem griechischen Helden einen wichtigen Schritt voraus. Der hätte sich allerdings nicht freiwillig mit Sirenen und Zyklopen herumgeschlagen, wenn er zuvor davon gewusst hätte. Die letzten Besucher des Campingplatzes im Schweizer Touristen- und Bergsteigerort Täsch schlüpfen in die kuscheligen Schlafsäcke, die Lichter sind bereits gedämmt. Wir schultern den vollgepackten Rucksack, entschuldigen uns leise für das Klimpern des Eispickels und tapsen in Richtung Bahnhof davon. Wir wollen den vorletzten Zug nach Zermatt erwischen, pünktlich zur Geisterstunde. Die Nachtschwärmer mustern uns nur kurz, im Schweizer Wallis ist ein Bergsteiger in voller Montur auch um Mitternacht kein Außerirdischer.
Die Unterkunft am Campingplatz Alphubel in Täsch
Um 23:47 stehen wir am Bahnhof. Der letzte Zug würde erst um ein Uhr fahren- zu spät für uns. 
Vier Euro für eine PET-Flasche Coca Cola beim Getränkeautomaten in der Bahnhofshalle.  Zucker für das Hirn, Salz in die finanzielle Wunde, die ein Aufenthalt bei den Eidgenossen hinterlässt. Um 00:10 Uhr ist das alles bereits wieder vergessen. Die Tour beginnt. Mitten am Ortsplatz von Zermatt, mitten in der Nacht. Den Berg, auf dessen Gipfel wir stehen wollen, werden wir noch lange nicht sehen. Zuerst gilt es den Gornergrat zu erreichen- den 3089 Meter hoch gelegenen Ausgangspunkt der Tour. Normal bringt einen die Bahn für 45 Euro gemütlich nach oben. Dann ist es für den Großteil der Bergsteiger immer noch eine Zweitagestour. Diese Gedanken verdrängen wir, das Hier und Jetzt, die kalte klare Luft und das euphorische Miteinander zählen.Vom Hörnligrat leuchten bereits die Lichter der Stirnlampen, als wir auf Asphaltstraßen Richtung Riffelalp marschieren. Wie verzaubert blicken wir auf das formschöne Matterhorn, das trotz Dunkelheit nichts von seiner imposanten Form verliert. Welch’ beeindruckene Geschichte sich doch hinter diesen Felsen verbirgt. Soviel Leid, aber auch herzergreifende Erlebnisse. Wie das von Matt, der ersten und einzigen Katze, der bislang eine Besteigung des Mattterhorns gelang. Ein furchtloser Kater, der 1950 ohne Steigeisen auf den Pfoten über den Hörnligrat kletterte und die verdutzten Bergsteiger mit einem lauten “Miau” begrüßte.

 

Der furchtlose Matt

Aufpassen!”

Die Tour wird bereits hier gefährlich, denn vor lauter Begeisterung stolpere ich über meine eigenen Beine. Die Nacht ist sternenklar, die Silhouetten der Viertausender werden vom Mond beleuchtet.

Lange Forststraßen und erheiternde Gespräche überbrücken die Zeit bis zu den riesigen Gastzimmern der Riffelalp auf 2.222 Meter Seehöhe. Dann ist wieder jeder ganz bei sich, hadert mit vergangenen Entscheidungen oder blickt innerlich freudig in die Zukunft. Eine lange Tour ist Segen und Fluch zugleich. Der Kopf setzt sich schnell in einen Wagon und fährt Achterbahn. Rauf und runter. Er wirbelt dich zur Seite, du willst aussteigen, kannst aber nicht, musst dich deinen Gedanken stellen. Am Ende bist du klarer bei Verstand oder einfach nur glücklich, dass du wieder gesund auf dem Boden der Tatsachen stehst.

Wir halten inne. Lichter blitzen vom Matterhorn. Wir fühlen uns mit den Bergsteigern am anderen Ende des Tales verbunden. Getrennt auf dem Weg, vereint in der Sache. “Komm, mir wird kalt”. 

Das Matterhorn, aufgenommen von der Riffelalp auf 2.222 Meter Seehöhe

Zeit ist nichtig, das Gefühl dafür im Tal geblieben. Dennoch müssen wir immer wieder die Zeiger der Uhr mustern. Die Dufourspitze ist als Tagestour ein enormes Unterfangen, je später es wird, desto unangenehmer werden die Schneebrücken auf dem Gletscher. Wir erreichen die Station Rotenboden auf 2815 Meter und setzen uns ins Gras. Direkt vor uns steht er plötzlich. Mächtige Wechten, riesige Eisflächen, beängstigende Wandfluchten. Der Gipfel der Schweiz, 4634 Meter. Noch nie in unserem Leben sind wir so hoch gestiegen. Die ersten Aspiranten haben sich bereits von der Monte-Rosa-Hütte aus auf den Weg gemacht, ihre Lämpchen können wir von hier aus sehen. Bis dorthin ist es noch ein Stück. Einige Höhenmeter abwärts, über den Gletscher, Geröllhalden, Blöcke, Schneefelder. Besser nicht überlegen. Es ist drei Uhr morgens.

Das Tau der Angst

 Ein zutraulicher Steinbock läuft auf dem schmalen Weg voraus, bleibt stehen, wartet, und läuft wieder. Ganz als würde er uns begleiten wollen. Gerade als ich ihn mir mit uns in einer Dreier-Seilschaft vorstelle, biegt er ab. Spielverderber.  Der Weg zur Hütte zieht sich, zuerst lange flach, dann bergab, geht es dem flackernden Licht entgegen. Wir erreichen den Gletscher, die letzte Hürde vor dem ersten Kaffee des Tages. Glauben wir. Denn eine Steilwand, etwa 20 Meter, versperrt den Weg. Links geht nichts, rechts geht nichts. Vor uns hängt lose ein dickes Tau in den Abgrund. Das wird doch nicht…? Ich suche, soweit der Schein der Stirnlampe es erlaubt, das Gelände ab. Nichts. Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wissen: Nur knapp 20 Höhenmeter weiter rechts wurde eine moderne Stiege in den Fels geschlagen, mit der sich der Abstieg zwar immer noch steil, aber völlig harmlos gestalten würde. Doch Moritz hängt bereits im Tau.

Das Tau ist nur am oberen Ende stark befestigt

Weil er sich über einen Felsbauch hinunterhanteln muss, sehe ich ihn bald nicht mehr. Nur das Seil, das sich strafft, schlackert, von einer Seite zur anderen schwingt und auch sonst nur wenig vertrauensvoll wirkt, kann ich beobachten. Dann steige ich selbst hinab. Die Füße an die Wand, den Körper zurückgelehnt und mit dem ganzen Gewicht ins Tau. Wär ich doch nur öfter ins Fitnessstudio gegangen.Es dauert, bis ich mich überwinden kann.  Zwanzig Meter geht es in dieser Tonart weiter, immer wieder baumele ich durch die halbe Wand. Am unteren Ende hängt plötzlich eine Eisenstange im Seil. “Was..Warum?!”, frage ich mich. Dann stehe ich unten. Die rohen Eier sind gekocht, der Gletscher beginnt. Und damit die Irrfahrt des Odysseus. Wir ziehen die Laufschuhe aus, lassen sie unter einem Stein zurück und montieren die Steigeisen auf die Bergschuhe. Endlich fällt etwas Last ab, wenn auch nur vom Rucksack.

Vor dem Gletscher werden die Steigeisen montiert

Eine Brücke erleichtert den Zustieg zum ewigen Eis. Eigentlich sollte der Gletscher mit Stangen markiert sein. Die Dunkelheit lässt uns nicht tief blicken, bereits bei der ersten schlagen wir die falsche Richtung ein……

Eine neue Dimension

Ich sag dir, ich scheiss jetzt drauf”. Moritz schlägt die Steigeisen wutentbrannt ins Eis, setzt sich neben eine riesige Gletscherspalte und wenn die Kehle nicht so trocken wäre, würde er wohl hinunterspucken. Dann endlich, und zum ersten mal fühlt sich ein Sonnenaufgang tatsächlich wie die Erlösung von allen Schmerzen an, leuchtet die Spitze des Matterhorns. Es wird schlagartig hell. Fast zwei Stunden sind wir herumgeirrt, auf der Suche nach dem richtigen Weg- und waren völlig falsch. Es dauert nicht lange und wir erblicken, getrieben von der Wut im Bauch, die Monte-Rosa-Hütte auf knapp 2900 Meter Seehöhe. Es ist bereits halb sieben Uhr früh, der Zeitplan durcheinander, unser Geist auch.
Endlich! Sonnenaufgang
Die Irrfahrt auf dem Gletscher nimmt ein Ende
Nur noch wenige Gäste sitzen am Frühstückstisch, als wir in die moderne Hütte eintreten. Sie wirkt wie ein Fremdkörper inmitten dieser gigantischen Gletscherwelt. Als wären hier bereits die Dreharbeiten für Independence Day 3 im Gange. Nur Jeff Goldblum fehlt. Frühstücksbuffet für 22 Euro. Der Knauserer in uns hat keine Kraft mehr und der erste Schluck vom Kaffee ist mein zweiter Frühling.
“Sind die meisten schon gestartet, oder?”, frage ich den Hüttenwirt. Er antwortet nicht,  mustert mich mit hochgezogenen Augenbrauen.
“Woher kommt ihr jetzt?”, fragt er in schönstem Schweizerdeutsch. “Zermatt”, antworte ich kurz. “Gornergrat?”, hakt er ungläubig nach. “Nein, Zermatt. Bahnhof”. Er schmunzelt. “Die meisten sind hier um zwei Uhr früh weg”. “Okay, wir sind spät dran, ich weiß”. “Heute ist es schön, kein Gewitter.  Dufour?”.“Ja, genau.” Er schmunzelt wieder, geht in die Küche  und schenkt jedem eine PET Flasche Coca-Cola (und wie ihr nun wisst, ist das in der Schweiz in etwa so, als würde er uns zum Essen einladen. In ein Fünf-Sterne-Hotel. An einem Feiertag.).
Die Monte-Rosa-Hütte
Der schönste Gastgarten der Schweiz
Nach einem Marschtee betreten wir den prachtvollen Gastgarten. Es ist acht Uhr früh und die Sonne könnte gut und gerne auch vom Sahara-Himmel scheinen. Natürlich schmiere ich mich nicht ein. Bin ja ohnehin ein südländischer Typ. Das Ergebnis ist fatal. Zuerst geht es über riesige Felsblöcke dem zweiten Gletscher des Tages entgegen. Wir fühlen uns fit, auch wenn die Tour bereits acht Stunden dauert.
Dem Gletscher entgegen
Unglaubliche Szenerie
Die ersten Bergsteiger kommen uns bereits entgegen, die 3000-Meter-Marke haben wir eben durchbrochen. Mit dieser Tour bewegen wir uns in einer neuen Dimension, das zeigt auch der Rundumblick. Leichtes Gepäck, schnelle Beine, hohe Berge, dünne Luft, unendliches Glücksgefühl. Bereits jetzt. Auf 3200 Meter Seehöhe seilen wir uns an und beginnen den langen, wirklich sehr langen, Gang über den Gletscher. Es hat etwas Hypnotisierendes, durch den Seilabstand können wir nicht miteinander reden, sind miteinander verbunden und doch alleine. Wir kommen schnell voran.
Der Gang über den Gletscher beginnt
Im Blickfeld die hohen Berge der Schweiz
Der Gletscher zieht sich

Die Luft wird merklich dünner, das Atmen fällt schwer. Auf 3800 Meter Seehöhe, bereits über dem Gipfel des Großglockners, machen wir Pause, lassen alles auf uns wirken. Die Müdigkeit kriecht in die Knochen, der Gedanke an den ausgesetzten Grat, der uns bald erwartet, hält aber wach.

Panoramapausen
Und weiter dem Grat entgegen

Auf mehr als 4000 Meter wenden wir uns nach rechts, obwohl die gewaltige Seracs- Landschaft auf dem Silbersattel verlockend aussehen würde. Im Tal haben wir noch darüber gesprochen nach der Dufourspitze das nahe Nordend (4609 Meter) mitzunehmen. Jetzt sind wir einfach nur froh, wenn wir den einen Gipfel erreichen. Langsam wird das Gelände steiler, für die Lungen eine Herausforderung. Mit dem Rauchen habe ich zwar bereits vor mehr als zwei Jahren aufgehört , dennoch fühle ich mich wie der Marlboro-Man während der  Aufnahmen für einen neuen Werbespot. Mitten in den Schweizer Alpen muss ich dann auch noch an Wolfgang Ambros denken. Nicht, weil ich Lust auf Wein bekommen habe, sondern weil sich nun tatsächlich mächtige Gletscherspalten vor uns auftun.

Hoit, do is a Spoit – paßt’s auf doß kana einefoit.

Hoit, do is a Spoit – paßt’s auf doß kana einefoit.

 

Seracs Richtung Silbersattel

 

Es wird immer beschwerlicher, mittlerweile haben wir das Ende des Gletschers auf 4400 Meter Seehöhe erreicht. Der Schnee ist trotz der Sonneneinstrahlung hart gefroren und lässt uns mit gekonntem Pickel- und Steigeiseneinsatz über einen 45 Grad steilen Hang schweben. Immer wieder schweift der Blick nach unten. Ausrutschen wär hier ganz blöd. Jetzt so knapp vor dem Westgrat. Und überhaupt. Mein Respekt wächst, meine Anspannung auch.

Der Anfang des 45 Grad steilen Hangs zum Westgrat

Dann erreichen wir die Gratschneide. Nur mehr 150 Höhenmeter zum Gipfel- aber die haben es in sich. Viel Platz für sichere Tritte bleibt auf dem Westgrat nicht, dazwischen lauern Kletterstellen im dritten Schwierigkeitsgrad. Bedächtig setze ich einen Fuß vor den anderen. Das Herz klopft laut.

Der Westgrat der Dufourspitze
Eine schmale Angelegenheit

3300 Höhenmeter in den Beinen, mehr als zwölf Stunden wach und links und rechts der Abgrund. Die Felsblöcke sind trocken, die Zacken der Steigeisen passen in die kleinen Spalten. Langsam weicht das beklemmende Gefühl einer unendlichen Genugtuung. Anarchie. Niemand, der mir hier Befehle gibt. Hey, links abklettern!” Außer Moritz.

Zum fünften Mal steht er mit seinen 19 Jahren über der magischen Viertausend-Meter-Grenze. Mit einer solchen Gelassenheit, als würde er nur auf dem 3-Meter-Turm im Freibad stehen und überlegen, ob  er eine Arschbombe oder doch einen Rückwärtssalto machen soll. Die 45 Grad steile Flanke, die die Kletterei unterbricht, ist überwunden. Über eine kurze ausgesetzte Stelle (II) klettern wir ab, bevor wir die Gipfelrinne erreichen. Das Hineinqueren in die Wand kostet Nerven. Unter dem Purzel ist nichts mehr. Nur die kleinen Punkte unten im Silbersattel – Bergsteiger die auf das Nordend wollen. Auf mich wirken sie wie Ameisen. Und Ameisen beißen. Also bloß nicht runter zu ihnen.

 

Nach der steilen Flanke…
…wartet wieder der Grat und…
die Gipfelrinne

Wenn Männer weinen

Die Schneeverhältnisse in der Rinne sind bescheiden, immer wieder brechen Eisschollen unter den Füßen weg. Doch sie ist nicht lange und dann stehen wir vor dem letzten Kamin. Staubtrocken. Ein Spreizschritt, ein Zug, geschafft. 4634 Meter über den Dingen. Der Handschlag macht die Freiheit greifbar. Wir sind mittlerweile 14 Stunden unterwegs, der Gipfelbereich ist schmal, doch wir würden auch auf der Spitze des Eiffelturms rasten.

3564 Höhenmeter später…

 

Der Gipfel der Schweiz

Der Gipfel gehört dir erst, wenn du wieder unten bist. Phrasendrescherei. Und Wahrheit. Gerade hier auf der Dufourspitze. Beinahe eine Stunde lang genießen wir das unendliche Panorama. Der Mont Blanc grüßt freundlich herüber, die Gefühle lassen sich noch nicht richtig einordnen, aber sie verbinden uns. Wolken ziehen umher, verschönern das Gesamtbild. Ich erinnere mich an die Stunden im Flugzeug, die mir als kleiner Bub so gefallen haben. Wenn alles unter dir liegt, du dich mächtig, erhaben fühlst. Und ja zugegeben, wenn das Schnitzerl aus dem Plastikbecher endlich serviert wird. Kerosin hatten wir heute nicht als Antrieb, aber eine gehörige Portion Starrsinn. Ich muss laut lachen. Was für ein Irrsinn. Was für ein Abenteuer.

Flugzeugblick

Der Abstieg geht plötzlich ganz leicht. Keine Probleme, keine Angst, keine Bedenken. Das Abklettern macht Spaß, immer wieder entfleucht mir ein Grinsen.

Goodbye, Dufourspitze!
Zurück über den Grat…
…und die steilen Flanken

Zurück am Gletscher brechen alle Dämme. Wir haben’s. Vor Freude, Anstrengung und Müdigkeit laufen mir Tränen über das Gesicht. Dass es noch mindestens sechs weitere Stunden zurück nach Zermatt sind, ist mir völlig egal. Der nahe Lyskamm glänzt in der Sonne. Wir entfernen die Steigeisen und laufen über den aufgeweichten Gletscher der Monte-Rosa-Hütte entgegen. 8-Euro-Bier, wir kommen!

Zurück über den Gletscher
Der Gletscher wird langsam weich

Kurz vor der Hütte gibt es plötzlich keine Spur mehr. Immer wieder sinken wir tief in den aufgeweichten Schnee. Kein Wunder, bald ist es 16.00 Uhr. Die Schneebrücken über den Spalten halten nicht mehr, oder nicht mehr lange. Höchste Vorsicht ist geboten. Akrobatisch tänzeln wir uns zurück aufs Felsgelände. Und dann wissen wir es endgültig: Das wars. Der höchste Berg der Schweiz by fair means. Es ist möglich, wenn auch unter größten Anstrengungen und mit vielen Entbehrungen.

Zurück bei der Hütte lassen wir uns in den Liegestuhl fallen, trinken Bier und essen Suppe. Der Wirt hebt wieder seine Augenbrauen: “Und wie wars?” “Superschön”. Er lächelt, wir lächeln, die Welt lächelt.

Ein Tag, so wunderschön wie heute

Nie wieder Bergsteigen

Der Abstieg nach Zermatt tut weh. Nicht nur, weil wir dieser grandiose Welt über den Wolken verlassen müssen, sondern weil die Beine müde sind, der Kopf immer unwilliger wird und der Gegenanstieg zurück zum Rotenboden  näher kommt. Wäre er menschlich, würde er uns die Zunge zeigen.

“Nehmen wir das Tau?” “Leck mich!”

Über die neuerbauten Stiegen verlassen wir den Gletscher, wechseln die Schuhe und ackern uns mühsam zurück zum Gornergrat. 4100 Höhenmeter zeigt die Uhr dort an. Wolken schwirren ums Matterhorn, der Abend ist über das Wallis hereingebrochen, mit all seiner farbigen Pracht.

Über die Holzbrücke verlassen wir den Gletscher
Irgendwo dort drinnen wurde die Nacht unser Feind
Zurück auf den Gornergrat

Es ist bereits nach 20.00 Uhr, als wir endgültig ins Tal absteigen. Wohin nur mit den gesammelten Eindrücken? Wir sprechen darüber, psychologische Aufarbeitung in über 2000 Meter Seehöhe. Als wir kurz vor der Riffelalp stehen, wenden wir uns nach links, wollen einen anderen, vermeintlich kürzeren Weg nehmen. Damit haben wir uns unfreiwillig für eine Verlängerung entschlossen. Die Nacht bricht über uns herein. Wir wollen nicht mehr, sind ausgelaugt, müde, kaputt. Nie wieder Bergsteigen. Nie wieder.

Langsam bricht wieder eine Nacht an

Um 22.00 Uhr erreichen wir Zermatt. Nach mehr als 21 langen Stunden und 52 Kilometern. Im Zug zurück nach Täsch spricht niemand ein Wort. Das kalte Wasser, das am Campingplatz über die verbrannte Haut rinnt, schmerzt. Erst nach Mitternacht liegen wir wieder in den Schlafsäcken. Es ist stockdunkel. Ich knipse noch einmal das Licht meiner Stirnlampe an, blicke Moritz in die geröteten Augen: “Danke, Alter”

Er lächelt. “Das werd’ ich noch meinen Enkeln erzählen”. Seine Antwort ist leise, aber spricht mir laut aus der Seele.“Wenn’s dich vorher nirgends runterschmeißt”
“Gute Nacht”. “Schlaf gut”. 

……………”Schade, dass es schon vorbei ist.”.

Ach. Ich bin euch ja noch etwas schuldig:

Ich hab’ ja gesagt: fatal.