1.000 Höhenmeter, 8 Kilometer Wegstrecke

Frühlingserwachen im Salzkammergut

Von Gabriel Egger

Es wäre überdrüssig jedes Bergerlebnis, das im Winter ohne Tourenski unseren Blog erreicht, verbal zu entmachten. Auch wenn die kalte Jahreszeit bestimmt von langgezogenen Schwüngen, adrettem Stockeinsatz und lawinenkundigen Entscheidungen sein sollte, kann man – und schlussendlich muss man auch- das Beste aus den jeweiligen Verhältnissen machen. Das heißt momentan konkret: in den sulzigen Apfel beißen und die Bretter über wenig, dafür umso tieferen Schnee zu quälen oder einfach schon im heimischen Stiegenhaus abfellen und statt der bockigen Skitourenstiefel die leichten Bergschuhe ausführen.

Wer  bei einer Skitour über Stock, Stein, Gras und aufgeweichten Schnee zu raunzen beginnt, der soll sich immer vor Augen halten, wer schlussendlich für die milde Misere verantwortlich ist: der Mensch, mit seinem Hang zur Ressourcen-Ausbeutung. Zwar nicht wenn es nach der Abgeordneten zum Nationalrat Susanne Winter geht, doch die ist mit der Titelfrage ohnehin nicht gemeint.

Die Frage “quo vadis” (lat. Wohin gehst du?) ist freilich an die vorherrschende Jahreszeit gerichtet. Weil die aber nicht sprechen kann, leiht ihr Hubert von Goisern seine Stimme: weit weit weg.
Schon beim ersten Schritt aus dem Auto weht uns an der Offenseestraße ein laues Lüftchen entgegen und lässt die dicke Daunenjacke wieder im Kofferraum verschwinden.

Wir haben uns nach ewig langem Hin-und her für den Eibenberg entschieden. Der südseitige Anstieg über die Hiaslalm sollte bei den vorherrschenden Temperaturen gut machbar sein und der Ausblick von der (lokal) berühmten Eibenberger-Schneid wäre auch jeden Stapfmeter wert. Zudem ist es für Bergonkel Hans heute eine Premiere auf dem 1.598 Meter hohen Aussichtsgipfel.

Der steile Wald schickt schon zu Beginn motivierende Grüße an die geschundenen Waden und begleitet von einem Mix aus Spätherbst und Frühling steigen wir in Serpentinen stetig höher. Weil mein jugendlicher Lebensstil nächste Woche endgültig vom 40-Stunden-Arbeitstrott abgelöst wird, schweifen die Gedanken vorerst noch in die jüngste Vergangenheit zurück. Montagnachmittag auf dem Schafberg….

…..oder Dienstagnachmittag auf dem Traunstein

Erst die Nässe, die langsam durch die Hose kriecht, befördert mich wieder zurück in die Gegenwart. Die Hiaslalm bietet auf 1.080 Metern einen famosen Blick zum (noch) zugefrorenen Offensee und den mächtigen Bergriesen des Toten Gebirges. Heute stellt sie auch die Schneegrenze dar, denn jetzt beginnt das, was ich bislang nur von meiner zügellosen Maturareise kannte: eine Schaumparty.

Schnee darf sich diese weiße, schlabbrige Masse, die uns die restlichen 500 Höhenmeter begleitet, nicht mehr nennen. Butterweich schiebt sie sich ohne Fremdeinwirkung die Hänge hinab, versinkt man in ihr, braucht man für Badewannen-Feeling nur mehr das Quietschentlein.

Der Offensee mit dem Toten Gebirge 

 

Schneegrenze Hiaslalm

Wir teilen uns die Spurarbeit, treffen dennoch immer wieder auf apere Stellen und kommen flott höher. Die Stellen, die im Sommer zum Zupacken animieren, werden heute elegant durchschlürft.

 

Typisches Aufstiegsgelände am Eibenberg

Oh, bitte um Verzeihung.

Das ist natürlich das Aufstiegsgelände

Über eine große Wechte bahnen wir uns den Weg auf die Schneid und werden mit einem 360-Grad-Panorama belohnt. Dachstein und Gosaukamm zeigen sich hier heroben genauso, wie das nahe Höllengebirge, die Kremsmauer oder mein ewiger Seitensprung, der Traunstein. Über den großteils breiten, nur sehr selten schmalen Grat, spazieren wir dem Gipfel entgegen. Für Ende Jänner muss die Schneelage als armselig bezeichnet werden. Nicht einmal hier gibt es nennenswerte Probleme mit dem Einsinken.

Die Eibenberger-Schneid im Winter

Nach kurzem Auf-und ab erreichen wir das exotische Gipfelkreuz des Eibenbergs.  Hat der ins Salzkammergut verliebte Amor hier etwa seinen Bogen vergessen, oder ist das gar das letzte Vermächtnis von Pierre Brice? Beides klingt schlüssig, beides ist völliger Schwachsinn. Den Namen hat der Berg schon im 16. Jahrhundert erhalten. Weil die Eibe, deren giftiges Holz für Menschen tödlich sein konnte, vorranig zur Fertigung von Bögen benutzt wurde, schmückt heute diese steinzeitliche Waffe den Gipfel.

 

Wechten auf der Schneid
Kurz vor dem exotischen Gipfel

Am Gipfel ist es zwar nicht sonnig, dafür aber windstill und wir lassen uns von unserer Sehnsucht einige Minuten aufhalten, bevor wir auf selbigem Weg wieder ins Tal rutschen.

https://www.youtube.com/watch?v=zyMEIHud3UQ

Wer uns in den nächsten Tagen nachrutschen möchte, der kann das mit dem folgenden GPS-Track gerne tun. Vielleicht beantwortet uns das Wetter in den kommenden Wochen die Eingangsfrage doch noch. Oder wir dürfen unsere Frühlingsgefühle im Zaum halten.