Bericht und Fotos: Moritz Mayer

Der Traunstein. Heiß begehrt und wild umkämpft. Tausende Menschen zieht der Wächter des Salzkammergutes jedes Jahr an (Uns Bergaufundbergabler sowieso). Viele wollen auf dem1.691 Meter hohen Gipfel stehen, aber nicht alle können sich diesen Traum auch erfüllen, ist er doch ein Berg, bei dem selbst die Normalwege kein Zuckerschlecken sind. Naturfreundesteig, Hernlersteig und Mairalmsteig, diese drei Anstiege stellen heute die Normalwege auf den “Stoa” dar und es vergeht kaum ein Tag , an dem sich kein Mensch auf einem dieser Steige befindet.

Neben diesen Anstiegen gibt es auch noch zahlreiche unmarkierte Steige (leichte Kletterei), die aber dank des vorherrschenden Bergbooms wieder immer mehr an Beliebtheit gewinnen. Zierlersteig, Hochkampsteig, Südgrat und Ostgrat zählen zu diesen Traunstein-Raritäten. Nicht zu vergessen sind natürlich auch die zahlreichen schwierigeren Kletterrouten, die der Wächter des Salzkammergutes vorzuweisen hat. Ob moderne und neue Routen, oder aber auch alte und geschichtsträchtige Kletteranstiege, der Traunstein hat wirklich für jeden etwas.

Doch es gab auch eine Zeit vor all diesen Erschließungen. Eine Zeit, in der es noch keine sozialen Netzwerke, geschweige den das Internet gab, in dem man sich über jede Tour bestens informieren konnte. Eine Zeit, in der nur wenige Menschen in den Bergen unterwegs waren. Pioniere, die wilde Berge, schroffe Gipfel und steile Wände erkundeten. Die alte Garde des Bergsteigens. Solche gab es natürlich auch am Traunstein. In den frühen 1900er Jahren, entwickelte sich in Gmunden eine starke Bergsteiger-Szene, die in weniger als 30 Jahren den gesamten Traunstein von allen Seiten erkletterte. Zahlreiche gefährliche Erstbegehungen mit Hanfseilen und genagelten Schuhen prägten diese Jahre. Hans Hernler, Sepp Stahrl und viele andere Ausnahme Bergsteiger hinterließen in diesen Jahren ihre Spuren am Traunstein.

Als diese wilden Pionier-Jahre mit dem zweiten Weltkrieg zu Ende gingen, eroberte das Volk die Berge. Bergsteigen und Wandern entwickelte sich immer mehr zum Volkssport und viele Routen der Erstbegeher gerieten in Vergessenheit. Gott sei Dank gibt es den “Traunstein und Umgebung” Führer, der 2001 das letzte Mal von Manfred Spitzbart und Rudolf Vogler überarbeitet worden ist. In diesem kleinen aber sehr informativen Büchlein, findet man noch viel mehr, als man sich überhaupt vorstellen kann. Unzählige Steige, Klettertouren und alte unauffindbare Wegvarianten machen diesen Führer so interessant.

Auf Seite 52 im Führer fand ich vor etlichen Monaten einen kleinen Eintrag, der wie folgt lautet:

Nordwandkessel (II), 3 Std. (S. Stahrl, E. Lindon, 22.5.1930).
Vom Hochkampweg Querung in die Farngrube, dann unmittelbarer Aufstieg durch die gesamten Nordabstürz bis zu Gedenktafel für Mulzet und Leitner unterhalb des Pyramidenkogels, Ausstieg über die “Grüne Gasse” (Beschreibung der Erstbegeher). Nicht zu empfehlen.”


Diese Beschreibung eines Weges, die eigentlich gar keine richtige Beschreibung ist, ließ mich danach nie wieder los. Jedes Mal wenn ich am “Stoa” war, überlegte ich wo wohl dieser Nordwandkessel hinaufführen könnte.
Kurz vor unserer 24-Stunden-Traunstein Aktion, waren Gabriel und ich noch am Traunstein unterwegs und fanden durch Zufall am Zierlerberg eine Rinne, welche uns direkt unter die Nordabstürze führte. Anschließend sind wir dann noch weiter bis zum Hochkamp-Steig rüber gequert, doch ich war mir sicher bei diesem kleinen Spaziergang den richtigen Einstieg des Nordwandkessels gefunden zu haben.

Hier gleich mal vorweg meine Linie durch den Nordwandkessel (Bild: Frühjahr 2015):
Übersicht

 

Mit diesen spärlichen Informationen, fuhr ich also am Samstag den 24. Oktober 2015 zum Traunstein-Ostufer, wo meine Tour beginnen sollte. Bevor es allerdings ans Eingemachte ging, musste ich erstmal den Zierlerberg hoch. Alle die den Zierlersteig (II+) kennen wissen, dass man diesen über die Kaltenbachwildnis und anschließend einen mit Kiefern bewachsenen breiten Bergrücken erreicht.

Start am See

 

Wunderschöne Tiefblicke in die Kaltenbachwildnis

 

Die “Überraschung” ist erreicht!

 

Der Nebel fürchtet sich vorm Traunstein

 

Chinesische Mauer am Weg zum Zierlerberg

 

Kurz vorm Zierlerberg

 

Dort angekommen, beginnt dann erst das Abenteuer. Abermals steige ich durch die nach links ziehende, steile Rinne ab, die sich direkt vor der ersten schwierigeren Kletterstelle des Zierlersteiges befindet. Der Schnee hat wohl im Frühjahr jegliche Vegetation dieser Rinne mit sich genommen und somit komme ich öfters ins Rutschen. Weiter unten, wo die erste richtige Steilstelle der Rinne erfolgt, sieht man auf der rechten Seite überraschend gute Steigspuren einen kleinen Hang emporziehen. Über diesen Steig (der wohl einheimischen Jägern dient), erreicht man die steilen Nordabstürze des Traunsteins. Dieses Terrain heißt “Farngrube” und ist vor allem jetzt im Herbst ein wunderschönes Fleckchen. Totaler Einsamkeit und sehr, sehr vielen Gämsen, begegne ich hier. Dies ist wohl einer der letzten größeren Rückzugsorte für Gämse am Traunstein.
In diese Rinne steige ich ab

 

Die Farngrube ist erreicht!

 

Im Flachland der Nebel

 

Nun heißt es den Steigspuren bis an ihr Ende zu folgen. Diese verlieren sich nämlich nach einiger Zeit kurz vor einem Geröllfeld. Hier muss man dann nur noch wenige Meter weiterwandern um den Einstieg in den Nordwandkessel zu erreichen. Der Einstieg in den Nordwandkessel ist gleichzeitig auch die erste Stelle an dem die Nordabstürze nicht nach einer schweren Kletterei aussehen.
Und ab zum Einstieg des Nordwandkessels

 

Nun beginnt das Gelände im wahrsten Sinne des Wortes etwas “kessel”ig zu werden. Ich darf also gespannt sein. Die ersten Klettermeter bestehen aus Steilgras, Schrofen und brüchigem Fels. Es ist noch nicht zu schwierig, aber dennoch sollte schon Vorsicht geboten sein. Grundsätzlich könnte man hier wahrscheinlich noch überall im breiten Kessel klettern.
Es geht los!

 

Langsam steige ich in den Kessel auf

 

Tiefblicke

 

Nach einigen Höhenmetern erreicht man dann eine Art Bachbett, an dessen Ende sich zwei Rinnen befinden. Ich entscheide mich hier die ganz rechte Rinne anzusteuern. Vielleicht gibt es auch noch eine bessere Variante am linken Kesselrand (Schroffen), genaueres kann ich aber leider nicht sagen. Die linke Rinne ist jedoch unmöglich zu klettern!
Nun stehe ich also vor der rechten Rinne (II+) und Blicke hinauf. “Sieht gar nicht so schwer aus”, denke ich mir. Leider stellt sich wenig später heraus, dass auch hier der Fels sehr brüchig ist und vor allem der Anfang der Rinne durch herabfließendes Wasser sehr, sehr glatt ist. Ich brauche doch einige Zeit bis ich diese Rinne durchklettere.
Hier entscheide ich mir für die rechte Rinne

 

In der rechten Rinne

 

Am Ende der Rinne

 

Anschließend erreiche ich ein kleines Plateau mitten in der Wand. Ein wirklich wunderschöner Ort der von absoluter Stille umgeben ist. Wie lang wohl hier schon keiner mehr war? Man weiß es nicht. Hier habe ich dann auch meinen ersten Schneekontakt in der Nordwand am heutigen Tag. Vor mir stehen mächtige Felswände die unüberwindbar ausschauen. Wie geht es nun weiter? Am linken Rand dieses Plateaus gibt es einen kleinen Felsgrat. “Wenn man erst mal auf diesem Grat oben ist kann es doch nicht mehr so schwer sein um weiter nach oben zu kommen”, denke ich mir. Doch zuerst gilt es auf den Grat zu gelangen. Nachdem ich einige schwierige Varianten ausprobiert habe, sehe ich nur noch eine Möglichkeit auf den Grat zu kommen. Ein kleines Wandl, dass eigentlich relativ gut aussieht. Anfangs komme ich schnell höher (II+) und der Grat ist schon zum Greifen nahe. Nur noch eine kleine Steilstelle muss überwunden werden. Diese Steilstelle (III+) lernt mir aber dann das Fürchten. Brüchiger Fels und extreme Ausgesetztheit erschweren mir das Klettern. Nach einigen Minuten habe ich es aber dann doch geschafft und die Schlüsselstelle der heutigen Tour ist überwunden.
Das kleine Plateau ist erreicht (mit Schlüsselstelle)

 

Hier ist es wohl ohne Seil ziemlich riskant

 

Am rechten Bildrand bin ich hoch

 

Kurz nach der Schlüsselstelle

 

Am Grat angelangt, zieht man sich über Latschen weiter empor und klettert kurz vor Ende dieses kurzen Grates (I+) noch kurz nach rechts und umgeht somit eine schwierigere Stelle. Anschließend erreicht man ein breites Band, dass in die restliche Nordwand leitet.

Über dieses Band geht es weiter

 

Über diese Scharte hab ich das Band erreicht (Gratzacken)

Nun wird das ganze wieder ein bisschen einfacher und vor allem breiter. Man erreicht nun die ziemlich weitläufige obere Nordwand und es gibt hier zahlreiche Möglichkeiten um höher zu kommen (I-III). Der Schnee wird hier auch immer mehr und mein nicht wasserfestes Schuhwerk ist schon ziemlich durchnässt. Kurze Zeit später treffe ich auf das Nordwandband, dass eine Art Verbindungsweg zwischen Zierlersteig und Hochkampsteig darstellt. Da ich allerdings die Nordwand (Nordwandkessel) ganz durchklettern will, schenke ich den Steigspuren nicht viel Beachtung und klettere unbeirrt weiter dem Gipfel entgegen.

Weiter geht es etwas leichter

 

Typisches oberes Nordwandkessel-Gelände

 

Etwa auf höhe des Nordwandbandes

Das nächste Ziel ist die Grüne Gasse , über die man anschließend aus der Nordwand aussteigt. Um dies zu erreichen gibt es hier im oberen Teil wieder einige Möglichkeiten. Ich entscheide mich direkt auf den Eingang der Grünen Gasse zuzusteuern. Man hält sich also etwas weiter rechts und klettert über extrem steiles, schneebedecktes Gras und über Schrofen. Teilweise muss man auch immer wieder mit ein paar Latschen kämpfen. Dennoch komme ich im oberen Teil schnell voran und schon bald erblicke ich die Querung zur Grünen Gasse, die man ja sonst eigentlich nur über den Ostgrat (II) erreicht. Ein ungewohntes Gefühl von unten in die Grüne Gasse zu klettern, da ich mich ja schon bei etlichen Ostgrat-Besteigungen gefragt hatte, ob das denn möglich wäre. Wenn man am rechten Rand des “Nordwandkessels” bleibt, wird das Gelände kurz vor Erreichen der Gasse wieder etwas flacher. Meine Zehen sind zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich gefroren und ich freue mich auf die ersten Sonnenstrahlen am Plateau. In der schattigen Nordwand, kommt ja im Herbst kaum noch Sonne in die Wand. Dann ist sie endlich erreicht, die Grüne Gasse.

Weiter gehts abermals an der rechten Seite (nicht in den Kessel //Bildmitte// rein!)

 

Tiefblicke

 

Durch diese Rinne geht es hoch

 

Bald ist die Grüne Gasse erreicht

 

Die Querung vom Ostgrat in die Grüne Gasse

 

Da rechts gehts rein

 

Eiskalte Füße

Die Grüne Gasse (II+) kenne ich ja Gott sei Dank schon sehr gut. Bei fast allen Witterungsbedingungen (Sonne, Regen, Eis und Schnee) bin ich dort schon mal durchgeklettert und somit ist diese für mich auch heute kein Problem mehr.

Und ab in die Gasse

 

Im unteren Teil muss ich spuren

 

 

Teilweise ziemlich vereist

 

Am Ende der Grünen Gasse

Nach einigen Minuten in der Gasse, erreiche ich endlich das Plateau des Traunsteins. Die Sonne strahlt mir zum ersten Mal an diesem Tag entgegen und ich freue mich über die erfolgreiche Nordwandkessel -Durchsteigung. Bereits mein zehnter, eigenständiger Steig aufs Traunstein-Plateau war erkundet und ich lasse mich zufrieden ans Kreuz fallen. Das Wetter ist wirklich traumhaft. Im Tal der Nebel, am Berg die Sonne. Kurze Zeit später tauen dann auch wieder meine Füße auf und jeder der das kennt, kennt auch den Schmerz.

Das Plateau ist erreicht!

 

Traunstein auf 1.691m!

Anschließend geht es noch zum Mittagessen auf die Gmundner-Hütte.  Gerald und das Hüttenteam empfangen mich freundlich und es folgen einige amüsante Gespräche. Die Gmundner Hütte wurde ja zwei Tage später winterfest gemacht und somit freue ich mich noch einmal vor Saisonschluss in der Hütte zu stehen. Anschließend trabe ich fröhlich und zufrieden über den Hernlersteig meinem fahrbaren Untersatz entgegen.

Dachstein

 

Blick ins Salzkammergut

 

Auf der Gmundner Hütte tut sich immer was

 

Goodbye Stoa! Wir sehen uns im Winter!

Weitere Fotos gibt es wie immer hier: