30. Dezember 2013, 12.00 Uhr: Zwei Bergsteiger aus Linz machen sich auf den Weg nach Hinterstoder um ein lang ersehntes Großprojekt in die Tat umzusetzen. Abseits von präparierten Pisten und Apres-Ski soll der Große Priel erstmals im Winter erklommen werden. Für viele Oberösterreicher gilt der mächtige Kalkbrocken als höchster Berg des Landes und erfreut sich deswegen großer Beliebtheit. Erstbestiegen 1810, ist vor allem sein acht Meter hohes knallrotes Gipfelkreuz, das von sämtlichen umliegenden Bergen mit dem freien Auge erkannt werden kann, ein beliebtes Fotomotiv. Dass es sich bei den beiden Bergsteigern um Matthias und mich handelt muss wohl nicht extra erwähnt werden.
Vom Parkplatz Polsterlucke machen wir uns mit Steigeisen und Pickel ausgerüstet auf den Weg zum Prielschutzhaus auf 1420m, das für die kommende Nacht unsere Herberge sein wird. Vorerst völlig schneefrei meistern wir die lange Forststraße, bevor es in Serpentinen zum Klinserfall geht.
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Erster grandioser Blick auf unser heißbegehrtes Ziel |
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Schneefreier Zustieg zum Prielschutzhaus |
Vergangenen Juli wagten wir bei Nebel und Windböen bis zu 50km/h eine Speed-Begehung von Grünau aus und erreichten den Gipfel in nur 3 1/2 Stunden. Heute sind uns wieder famose Blicke zur Spitzmauer vergönnt und so lassen wir uns beim Anstieg Zeit- haben wir doch heute, außer einem gemütlichen Abend im Winterraum, nichts mehr vor.
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Die Spitzmauer (2.446m)- Das Matterhorn der Ostalpen |
Wir hoffen auf eine schwache Frequentierung des Winterraums und auf eine angenehme Nacht in den zur Verfügung gestellten Lagerbetten. Die Skitourensaison lockt zwar immer wieder Alpinisten aus allen Ländern an den Fuß des Priels, doch hat diese aufgrund der seltsamen Wetterbedingungen noch nicht begonnen.
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Die letzten Meter warten dann doch mit etwas Schnee auf |
Kurz vorm Prielschutzhaus erschnüffeln wir schon den Geruch von verbranntem Holz und sind uns sicher heute nicht allein die Nacht zu verbringen. Das Zelt vor der abendlichen Hütte bringt uns schon zum Grübeln, was dann aber kommt übersteigt unsere Vorstellungskraft. Als wir die Tür zum Winterraum öffnen, blicken uns 36 Augen verwundert an. Eine tschechische Großfamilie hat ihren Urlaub kurzerhand in den Winterraum des Prielschutzhauses verlegt und kocht gerade groß auf. Die 18 Mitstreiter empfangen uns freundlich und versprechen uns Platz für eine halbwegs erträgliche Nacht zu machen.
So lernen wir alte Volkslieder und teilen uns brüderlich heißen Tee mit Schuss. Da unsere bergbegeisterten Nachbarn mit den Skiern und ohne Steigeisen angerückt waren, sind wir uns sicher dass der Gipfel am morgigen Vormittag nicht mehr zum Gemeinschaftsprojekt werden wird. Um kurz vor 23.00 Uhr kuscheln wir uns also auf dem Boden zusammen und können trotz der besonderen Umstände eine halbwegs gute Nacht verbringen. Wir sagen : Diky!
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Vor dem Schutzhaus wird wegen Überfüllung ein Zelt aufgeschlagen |
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Hüttenabend auf tschechische Art |
Um kurz vor 06.00 Uhr Früh läuten uns unsere Wecker aus dem Schlaf und wir packen möglichst lautlos unsere sieben Sachen um uns Richtung Brotfallscharte davon zu machen. Der Himmel über der Spitzmauer und dem Großen Priel ist von Sternen gesäumt und wir kommen über den pickelharten Schnee gut voran.
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Aufstieg in der Dunkelheit |
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Über dem Warscheneck kündigt sich ein neuer Tag an |
Kurz vor dem Kühkar wird der Schnee schließlich so hart, dass wir die Steigeisen montieren und den Pickel als “Steighilfe” verwenden. Mit großen Schritten geht es den seilversicherten Schlüsselstellen in der Brotfallscharte entgegen.
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Auf den letzten Metern zum Kühkar wird der Pickel zur Hilfe genommen |
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Mittlerweile erreicht uns auch die Sonne |
Schließlich erreichen wir die Seilversicherungen und den steilen Aufschwung Richtung Brotfall. Wir überprüfen die Steigeisen und kämpfen uns in fast gerader Linie nach oben. Ohne die Hilfe eines Pickels wär hier kaum etwas möglich, denn sämtliche Versicherungen stecken im vereisten Schnee. Wir kürzen den markierten Normalweg ab und haben immer wieder Probleme mit der Neuschneeauflage, die keinen festen Tritt garantieren.
Wir umklettern eine kurze Felsnische und plötzlich öffnet sich der Blick auf weitläufige Plateu des Toten Gebirges mit Temelberg (2331m) und dem markanten und schon öfters bestiegenen Rotgschirr (2261) mit dem auffälligen Südgrat. Geschafft! Wir legen die Steigeisen ab und wandern gemütlich dem breiten Priel-Grat zu. Ein Wahnsinnsgefühl hier am Altjahrestag Richtung Gipfel zu marschieren und der denkbar würdigste Abschluss eines fantastischen und aufregenden Bergjahres.
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Steiler Zustieg in die Brotfallscharte |
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In gerader Linie geht es aufwärts |
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Letzter schwieriger Aufschwung |
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Geschafft- Die Sonne empfängt uns bei der Brotfallscharte (2.380m) |
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Fantastischer Blick über das Plateau |
Wir genießen den Gang über den Grat, der mit einem Rundumblick aufwartet, den wir hier vom Priel so noch nicht gesehen haben. Es ist erst kurz nach 09.00 Uhr Früh und wir stehen ganz alleine vor dem großen Kreuz. Der Mix aus Adrenalin, Anspannung und purem Genuss trägt heute zu einem besonderen Hochgefühl bei.
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Am Priel-Grat |
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Das obligatorische- aber dennoch ganz Besondere Gipfelbild |
Wir bleiben rund eine Stunde am windgepeitschten Gipfel, der mit Temperaturen von -11 Grad nicht gerade zu einer ausgiebigen Rast einlädt. Doch weil heute alles so traumhaft schön ist, ignorieren wir die beißende Kälte und beobachten unsere tschechischen Freunde, die mit den Skiern versuchen zur Brotfallscharte heraufzuklettern. Nur drei von ihnen, die auch mit Steigeisen bewaffnet waren, schaffen es schließlich rund eine Stunde nach uns den Gipfelgrat zu erreichen. Weil die Zeit nicht drängt entschließen wir uns einen längeren Abstieg hinzulegen und den Weg über die Klinserschlucht anzutreten.
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Sprünge der Freude am Priel-Grat |
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Symbolisches Bild auf 2.515m Seehöhe |
Es geht also über den Grat zurück und wir wenden uns dem Fleischbanksattel zu, der auch den Anstieg zum Schermberg markiert. Wir bleiben aber im weglosen Gelände und schlagen uns auf der weiterhin sehr gut tragenden Schneeunterlage Richtung Spitzmauer durch. Steigeisen sind hier nicht mehr nötig und wir können uns ganz auf die heißen Temperaturen und die unwirklich wirkende Landschaft konzentrieren. Hier fühlen wir uns zumeist wie auf dem Mond, so abweisend aber gleichzeitig so schön sind die Felsformationen, die sich uns offenbaren.
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Abstieg unterhalb der Spitzmauer (rechts im Bild) in die Klinserschlucht |
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Sommerliche Temperaturen erreichen uns am Plateau |
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Der kilometerträchtige Rückweg zum Prielschutzhaus |
Nach einigen Gegenanstiegen und unfreiwilligen Rutschpartien erreichen wir wieder den markierten Normalweg, von wo aus wir in weniger als zwanzig Minuten zurück bei unserem frühmorgendlichen Ausgangspunkt sind. Weil der Hüttenwirt in der Zwischenzeit den Biervorrat aufgestockt hat setzen wir uns noch genüsslich auf die Sonnenterrasse und stoßen auf den fantastischen Tag an.
Danach geht es schnurstracks und schneefrei zurück zum Parkplatz, wo uns einige Einheimische zur Tour gratulieren. Weil heute noch die Feier in das neue Jahr ansteht kann man gar nicht genug anstoßen und wir lassen uns in Hinterstoder zu einem Weizenbier und einer Nachbesprechung hinreißen.
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Letzter Blick zur Spitzmauer |
An solchen Tagen werde ich meist unglaublich melancholisch und es bleibt mir eigentlich nichts mehr als DANKE! zu sagen. DANKE für die beiden großartigen Tage, DANKE für die (wie immer) großartige Begleitung und DANKE für den Spaß, den ich jetzt schon für das Bergjahr 2014 prophezeihe.
Wir wünschen euch einen guten Rutsch und mögen die guten Vorsätze den Kater überdauern!
Der erste gute Vorsatz könnte jetzt schon eingehalten werden, denn wer sich vorgenommen hat mehr fantastische Bilder aus den Bergen zu begutachten, dem sei hier die Möglichkeit geboten:
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