27 Kilometer, 2.300 Höhenmeter


Alte Wege neu erfunden

Es ist Freitag Abend und mein Handy signalisiert mir, dass ich gerade eine Textnachricht bekommen habe. Wie so oft lächelt mir Gabriels Kontaktbild beim Entsperren des Telefons entgegen:

Und am Montag mach ma dann noch a Kleinigkeit.”
Ich simse ihm zurück, dass ich es noch nicht genau weiß, da ich erst gerade von Kroatien zurück war und ich mir dort eine kleine Grippe eingefangen hatte. Im Unterbewusstsein wusste ich aber bereits zu diesem Zeitpunkt, dass ich mich schon sehr bald im Toten Gebirge befinden werde und ehe ich mich versah, saß ich bereits mit Gabriel am Sonntag Nachmittag im Auto, um nach Hinterstoder zu düsen.

Wir parken das Auto das erste Mal um etwa 16:00 Uhr an der Hinterstoderer Kläranlage und starten in Richtung “Poppenberg- Klettersteig”. Dieser noch relativ neue Klettersteig in Hinterstoder stellt laut diversen Internetseiten eine wunderschöne Alternative zu den hochalpinen Klettersteigen des Toten Gebirges dar und ist somit gefundenes Fressen für uns.
Wir queren das Einstiegswandl am Drahtseil und stellen schnell fest, dass der Fels uns heute durch seine Nässe wohl nicht optimalen Grip unter den Bergschuhen bescheren wird. Egal. Wir klettern weiter und finden durchaus Gefallen an dem sehr kurzen aber doch einigermaßen knackigen Klettersteig.

Immer wieder wechseln sich  kurze Gehpassagen  mit steilen Felswänden ab. Nach einer längeren “C” Stelle, kommen wir zum letzten Gehabschnitt und freuen uns auf das letzte Wandl, das anscheinend auch ganz kurz die Schwierigkeit “D” beinhaltet. Natürlich meistern wir auch kurz darauf diese Schlüsselstelle und steigen über eine ganz kurze Seilbrücke und einige leichtere Passagen dem Ausstieg entgegen.

 

Das Einstiegswandl

 

Am Ausstieg angekommen blicken wir vom Aussichtsplateau, das sich nicht am höchsten Punkt befindet,  in das wolkenverhangene Hinterstoder hinab. Anschließend stapfen wir noch querfeldein in Richtung tatsächlichem Poppenberg , welcher sich auf 853 Meter Seehöhe befindet. Ein weiterer, für uns neuer Gipfel war erreicht und nach kurzem Gipfelaufenthalt machen wir uns im Laufschritt, über den Normalweg wieder zum Parkplatz auf.

 

Gipfel des 853 Meter hohen Poppenberges
Dort wechseln wir unsere verschwitzte Kleidung und fahren mit kurzem Zwischenstopp bei der Sparkasse Hinterstoder, in Richtung Polsterlucke. Am Parkplatz der Polsterlucke angekommen, stellen wir erstmal fest, dass wir nicht einmal zu zweit drei Euro in Kleingeld für den Parkautomaten zusammen bekommen. Ein kurzer Aufsatz auf einem Taschentuch, welches unter die Windschutzscheibe geklemmt wurde, hatte aber dieses Problem geregelt, wie wir einen Tag später erfuhren. Danke an dieser Stelle an das Parkschein-Team-Hinterstoder!
Also beginnt  unser Aufstieg aufs Prielschutzhaus, wo wir heute unsere Nacht verbringen wollen. Der Weg aufs Schutzhaus ist ja allseits bekannt und muss wohl nicht mehr beschrieben werden. Trotzdem ist zu sagen, dass es jedes Mal ein wunderschönes Erlebnis ist, wenn man beim Klinserfall vorbei kommt und dieser das wenige Wasser, das es im Toten Gebirge gibt zu Tal bringt.
Am Klinserfall
Harry Höll
Es ist mittlerweile schon fast halb Acht abends und wir sind bereits in den tiefstehenden Wolken verschwunden. Wir sind schon gespannt, was uns der Hüttenwirt für lustige Geschichten erzählen wird und hoffen auf genügend Zeitkontingent seinerseits. Schließlich erreichen wir um kurz vor 20.00 Uhr das Prielschutzhaus und treten ein. Koch Thomas installiert gerade im Seminarraum einen “neuen” Fernseher und Harry der Hüttenwirt empfängt uns freundlich. Einige Minuten später waren wir auch schon in spannende Gespräche mit Harry Höll verwickelt aber das ist eine andere Geschichte…
Am nächsten Morgen klingelt um 8:00 Uhr der Wecker im Prielschutzhaus. Der vergangene Hüttenabend hat doch ein bisschen länger gedauert und wir kriechen müde aus dem Bett. Wir wollen dennoch die Spitzmauer besuchen, deren Gipfel hoch über Hinterstoder thront und öfter auch als das Matterhorn von Oberösterreich betitelt wird.
Der Morgen im Prielschutzhaus
Der erste Blick aus dem Fenster zeigt den Ostrawitz in Wolken gehüllt
Der Weg auf die 2.446 Meter hohe Spitzmauer ist anfangs ident mit dem Weg auf den Großen Priel, der Unterschied besteht nur darin, dass man nach etwa 200 Höhenmetern weiter in die Klinserschlucht gehen muss, anstelle in die Brotfallscharte aufzusteigen. Das Wetter spielt heute mal wieder April und Wolken wechseln sich mit kurzen blauen Flecken am Himmel ab. In der Klinserschlucht angekommen, stellen wir schnell fest, dass doch noch einiges an Schnee dort oben liegt- Neuschnee inklusive. 

Das Klinserkreuz beim Eingang in die Kinserschlucht
Wir kommen schnell voran und erkunden die Klinserschlucht, klettern auf kleine Felsen und kämpfen uns steile Schneeverwehungen empor. Die Laufschuhe sind nun doch schon etwas nass und die Zehen frieren teilweise ein bisschen an. Nichtsdestotrotz vergeht uns unser Spaß an der Bewegung nicht und wir erreichen schließlich das Ende der Schlucht. Kurz nach dem sich dort befindenden Wegweiser, klettern wir sofort über Felsen die direkte Linie in Richtung Norden empor, anstatt den Normalweg auf die Spitzmauer zu benützen. 

Noch jede Menge Schnee in der Klinserschlucht

 

Gabriel beim Erkunden der Klinserschlucht

 

Die Spitzmauer schaut kurzzeitg aus den Wolken hervor

 

Blick zum Temelberg

Weitgrubenkopf Nordgrat (II-III)

Was anfangs eigentlich als Abkürzung dienen sollte, entpuppt sich schnell als mühsame Kletterei, da der Schnee an manchen Stellen den Untergrund verdeckt. Unter dem Schnee befinden sich dann nämlich oft glatte Platten oder kleine Felslöcher die uns den Weiterweg erschwerten. Nach etwa 20 Minuten erreichen wir dann schließlich den Grat. Dort angekommen fassen wir den Entschluss, dass wir noch länger am Grat bleiben wollen und nicht wieder auf den endlos langen, verschneiten Normalweg auf die Spitzmauer zurückkehren.
Am Weg zum Grat

 

Mixedgelände
Die ersten Höhenmeter führen uns über eine sehr steile, breite Rampe auf einen Gratturm, welcher auch schon von der Klinserschlucht aus gut zu sehen ist. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, wo wir uns eigentlich befanden. Wir wussten nur, dass wenn wir diesem Grat folgen irgendwann den Weitgrubenkopf erreichen müssten, welcher sich kurz vor der Spitzmauer befindet. Wir erreichen nun auch den Gratturm, welchen wir angestrebt hatten und bewundern die schönen umliegenden Berge die sich teilweise immer wieder durch die Wolken hervor kämpfen. 

Die Rampe kurz vorm ersten Gratturm



 

Der mächtige Temelberg
Direkt am Gratrücken kletteren wir anschließend weiter. Nach Osten hin ergeben sich unglaubliche Tiefblicke in die Klinserschlucht und nach Westen blicktn wir in Richtung Stoderkamm. Der Grat ist ab hier schon ziemlich ausgesetzt (vor allem nach Osten), dennoch hält sich die Kletterei hier noch in Grenzen und es existieren viele Gehpassagen. Auch Ausblicke auf die Spitzmauer können  an manchen Stellen genossen werden. 

Auf der Gratschneide

 

Immer wieder Ausblicke zur Spitzmauer

 

Blicke in die Klinserschlucht

Bald erblickt man einen ziemlich markanten Gratturm, welchen wir anfangs schon für den Weitgrubekopf gehalten hatten. Nach kurzen Überlegungen, beschließen wir diesen über eine  kleine Schlucht zu erklettern. Um diese zu erreichen muss man kurz nach Westen hin steile Gratabschnitte umklettern (I-II) und anschließend in die Schlucht aufsteigen. Man könnte wahrscheinlich bereits hier direkt an der Gratschneide bleiben, doch dieser wird vor diesem markanten Gratturm noch einmal ziemlich zackig und es sind sicherlich stellen im mindestens IV. Schwierigkeitsgrad dabei.

 

Topo

Über die Schlucht erreichten wir also eine Scharte (II), welche sich unmittelbar unter diesem Gratturm befindet. Hier stellt sich dann die Frage ob man direkt (mindestens III+) auf den Gratturm klettert oder ein schmales Band nach Westen (II+) hin nutzt, um die Schwierigkeiten zu umgehen. Ich versuche anfangs noch direkt zu klettern. während Gabriel unten in der Scharte wartete. Schnell wird mir aber auch selbst bewusst, dass diese direkte Variante mit Laufschuhen und Schneeunterlage keine wirklich gute Idee ist und ich klettere wieder zurück zu Gabriel in die Scharte.

 

Die Schlucht ging es gerade empor | Gabriel noch im unteren Teil

 

Das wäre der direkte Ausstieg

 

Gabriel im Nachstieg
Wir entschließen uns also für das Band nach Westen und klettern danach wieder über leichteres Gelände (II) direkt auf den zu erreichenden Gratturm zurück. Nun war die erste Hürde des Grates gemeistert. Der Umstand, dass wir eigentlich zuvor nichts von diesem Grat wussten und wir keinerlei Weginformation besaßen, sollte uns heute nicht auf den Kopf fallen.Wir hatten eine elegante Linie auf den Gratturm gefunden und freuten uns wie kleine Kinder, die ein neues Spielzeug bekommen haben. Der weitere Verlauf des Grates ist logisch. Durchgehend auf der Gratschneide bleiben! Wenn man dies macht. erlebt man noch eine wunderschöne Gratkletterei im teilweise oberen zweiten Schwierigkeitsgrad. Während wir noch die letzten Meter klettern , kommen wir zu dem Entschluss, dass dieser Grat wohl der Weitgrubenkopf- Nordgrat sein muss. Dies bestätigt sich auch später als wir im “Rabeder-Führer” einen winzig kleinen Eintrag zu diesem Grat fanden, den der alte Gisbert aber als Nordwestgrat und deutlich leichter beschreibt:

Zum Eingang in die Weitgrube. Links über Schrofenhänge auf den Grat, den man hinter dem ersten Turm betritt. Über den Grat, dem letzten Aufschwung links und rechts ausweichend, zum Gipfel. ” Gisbert Rabeder, der den Nordwestgrat mit I beziffert.

Später sollten wir auch noch von Hüttenwirt Harry erfahren, dass dieser Grat wohl seit ganzen 10 Jahren nicht mehr gemacht worden ist. Unglaublich was sich aus so manchen Spontan-Aktionen entwickeln kann!

 

Wieder auf der Gratschneide

 

Rückblick auf bereits Geklettertes

 

Kurz vorm Weitgrubenkopf (2.256m)
Nach wenigen Minuten auf der direkten Gratschneide ist der Spuk  auch schon vorbei und wir erreichen die Gipfelstange des Weitgrubenkopfes. 

Immer wieder tiefer Schnee

 

Am Weitgrubenkopf

 

Überglücklich laufen wir anschließend noch bergab bis zum Ausstieg des Stodertalklettersteiges und absolvieren die letzten  250 Höhenmeter zum Gipfel der Spitzmauer. Dort angekommen durchstöbern wir das Gipfelbuch, nehmen den dritten Eintrag des Jahres vor und blicken zufrieden ins Weite. 

Eiszapfen kurz vor der Spitzmauer

 

Gipfel der Spitzmauer (2.446m)
Nach kurzem Gipfelaufenthalt geht es dann auch schon wieder bergab über den Normalweg der Spitzmauer. Kurz vorm Temelberg kommen uns auch noch drei junge Bergsteiger entgegen, welche heute noch den Gipfel der Spitzmauer über den Normalweg erreichen wollen. In der Klinserschlucht kommen wir anschließend wieder schnell über den harten Schnee voran und erreichen somit schnell wieder das Prielschutzhaus, wo wir unsere letzten Sachen aufgabeln und uns von Harry Höll verabschieden. 

Blick auf die Prielkette

 

Spitzmauer beim Abstieg
Erschöpft aber sehr zufrieden begeben wir uns anschließend wieder ins Tal, wo wir die Heimreise antreten und über die letzen zwei Tage in Erinnerung schwelgen.
Für weitere Fotos ist folgendes Album zu empfehlen: