Hoher Göll (2.522m)

via Alpetalsteig
05. Dezember 2015

Ein zerkratzter Abschluss der Laufschuhsaison

Von Moritz Mayer

Der fünfte Dezember 2015 beginnt für mich heute um halb acht Uhr. Ein langes Wochenende steht vor der Türe und ich freue mich heute am Krampus-Tag in Bad Reichenhall am Thumsee am sogenannten Nikolausrun teilzunehmen. Das ist kein Wettkampf, sondern eine organisierte Trainingsveranstaltung um unter Gleichgesinnten die steilen Steige am Thumsee zu entdecken. Um Punkt acht Uhr stehe ich an der Tankstelle in meinem Heimatort, um meinem fahrbaren Untersatz noch einmal ganz aufzutanken. Ich schaue  kurz in die Facebook Veranstaltung des Nikolausruns, da ich mir nicht  mehr genau sicher bin, welcher Parkplatz den heutigen Treffpunkt markiert. In den nächsten Augenblicken folgte Ernüchterung.

Ich hatte mich tatsächlich im Datum geirrt und der Nikolausrun fand zu meiner Verwunderung einen Tag später am Nikolaus-Tag statt. Manchmal kennt meine Dummheit keine Grenzen. Nun stand ich also da. Es war schon fast halb neun und ich war noch im flachsten Innviertel. Wenn ich das gewusst gehabt hätte, wäre ich an diesem Tag früher auf und mit Gabriel zum Großen Priel gefahren, doch jetzt bin ich schon zu spät dran. Ich fuhr noch einmal kurz nach Hause und rief Gabriel an, während ich auf etliche Landkarten starrte. Auch Gabriel hatte nicht wirklich einen Plan, was ich jetzt heute noch starten könnte. Doch plötzlich erblickten meine Augen einen Punkt auf der Karte “Rund um Salzburg”.

Der Hohe Göll wartet schon lange auf eine Besteigung durch mich. Ohnehin hatte ich noch eine offene Rechnung mit diesem Berchtesgadener Giganten. Bereits im November 2014 wollte ich ihn in der Nacht besteigen, allerdings hätte er mich da fast abgeworfen. Noch ein Grund mehr dem Göll heute endlich einen Besuch abzustatten. Also war der Entschluss gefasst: Es soll  nach Deutschland ins Berchtesgadener Land gehen!

Nach anfänglichen Orientierungs-Problemen erreichte ich den Parkplatz an der Scharitzkehlstraße. Heute wollte ich nämlich durch das Alpetal auf den Hohen Göll (2.522m) steigen. Der Parkplatz befindet sich kurz nach der Christophorusschule. Auf etwa 1.090 Meter beginnt dann der Alpetalsteig. Da es heute bereits halb elf Uhr war, war ich heute leicht bepackt um schnell voran zu kommen. Außerdem haben meine schwereren Bergschuhe noch immer nicht den Weg ins Auto gefunden und darum musste ich mich heute noch einmal mit den Trailrunning-Schuhen begnügen.

Der Parkplatz an der Scharitzkehlstraße

 

Der Beginn des Alpetalsteigs

Die ersten Höhenmeter waren schnell überwunden und ab circa 1.500 Metern begann der Schnee eine immer größere Rolle zu spielen. Rundum ergaben sich immer mehr Blicke ins Berchtesgadener Land und mir wurde abermals bewusst, wie schön diese Gegend doch eigentlich ist. Hochkalter, Watzmann und viele weitere “Hügel” beobachteten mich bei meinem Anstieg durchs Alpetal.

Der Hochkalterstock in der Sonne

 

Das wunderschöne Berchtesgadener Land

 

Alpetalsteig

Die Schneemenge, war nun schon beträchtlich und ich versank bei fast jedem Schritt bis zu den Knien im weißen Gold. Je weiter ich nach oben kam, umso mehr verwandelte sich die Schneedecke zu einer Bruchharschdecke. Da das Gelände allerdings hier ziemlich steil war, war das kein großes Problem. Einzig und allein die wirklich steilen Stellen im Alpetalsteig, stellten zu diesem Zeitpunkt durch ihre starke Vereisung eine Herausforderung dar. Auf etwa 1.700 Meter, sah ich dann erstmals zum Kehlsteinhaus (1.834m) hinüber, welches majestätisch über Berchtesgaden thront.

Der Watzmann versteckt sich noch

 

 

Der Kehlstein mit seinem Kehlsteinhaus

 

Kurz bevor es wieder flacher wird

 

Teilweise ziemlich vereist

Nach einem weiteren Steilaufschwung erreichte ich dann auf 1.800 Meter eine Art Plateau, von dem ich eigentlich nichts gewusst hatte. Plateau und Bruchharsch. Eine wirklich teuflische Verbindung, zumindest für die Nerven in deinem Kopf und das Schmerzempfinden deiner Schienbeine. Die nächsten zwei Kilometer sollten mich nun hinüber ins eigentliche Alpetal führen, welches direkt beim sogenannten Pflughörndl (2.047m) beginnt. Diese zwei Kilometer waren die reinste Hölle und ich brauchte eine gefühlte Ewigkeit bis an den Fuß des Pflughörndls. Immer wieder brach ich durch die Schneedecke ein und prallte mit den Schienbeinen gegen einen Stein. Noch dazu kam, dass Laufschuhe nicht wirklich gut isolieren und ich somit schon bald sehr kalte Füße hatte. Das Ambiente und die umliegende Bergwelt waren dafür umso schöner.

Watzmann und Co

 

Mein heutiges Ziel, der Hohe Göll (2.522m)

 

Das spitze Pflughörndl

Einige Zeit später hatte ich dann das wirkliche Alpetal erreicht. Am Pflughörndl waren gerade noch zwei Kletterer am Werk gewesen, die nun sichtlich erleichtert über mein Spurarbeit waren. Aufgestiegen sind die wohl über den Pflugtalsteig. Nun war das Tal fast eben und ich versuchte von Stein zu Stein zu springen um ja nicht in den knochenbrecherischen Schnee steigen zu müssen. Die Blicke nach vorne waren zu dieser Zeit wirklich demotivierend. Ein endlos erscheinendes Tal hatte sich vor mir aufgebaut und jeder Schritt im Schnee war mit Schmerzen an den Schienbeinen verbunden. Schon da hatte ich beschlossen gehabt, dass ich das nächste Mal mit Schienbeinschonern wie ein Fußballer so eine spätherbstlich-frühwinterliche Besteigung in Angriff nehmen werde.

Das endlose Alpetal

 

Kurze Zeit hatte ich etwas Sonne, dennoch lief ich die meiste Zeit im Schatten

 

Der hintere Teil des Alpetals

Am Ende des Tales steilt das Gelände dann wieder etwas auf. Hier war das große Problem nicht mehr der Bruchharsch, sondern das harte, vereiste Gelände, in dem ich bei manchen kurzen Steilaufschwüngen wirklich zu kämpfen hatte. Wenigstens konnte ich nun bei flächeren Passagen wie Legolas aus der Herr der Ringe ohne Probleme über den Schnee spazieren.

Immer wieder Steilaufschwünge am Ende des Alpetals

 

Rückblick

Dann nach zwei langen Stunden kam ich aus dem Schatten endlich in die Sonne. Wenige Meter vor der Göllscharte (2.300m) trafen mich die ersten Sonnenstrahlen und mein Körper wärmte sich schon langsam wieder etwas auf. Der Weg bis hier hin war sehr anstrengend gewesen und die letzten 200 Höhenmeter bis zum Gipfel waren auch nicht gerade angenehm. Zwar war ab jetzt kein Bruchharsch mehr zu sehen, dennoch sank man bei jedem Schritt tief in die von der Sonne aufgeweichte Schneemasse ein. Etwa 15 Minuten später erreichte ich dann den Vorgipfel des Hohen Gölls. Die Ausblicke waren jetzt schon unglaublich schön. Man konnte heute einfach alles sehen.

Kurz oberhalb der Göllscharte

 

Hinauf auf den Göll!

 

Wunderschöne Ausblicke

 

Kurz vorm Vorgipfel

 

Am Vorgipfel mit dem Kuchlerkreuz

 

Nicht mehr weit zum Göll Gipfel

Der Hauptgipfel war nun nicht mehr weit weg und der überwechtete Grat sah wirklich spektakulär aus. Ich freute mich schon sehr drauf endlich am wunderschönen Gipfelkreuz des Hohen Gölls zu stehen. Der Weg war jetzt nicht mehr sehr anspruchsvoll. Über den Grat erreichte ich wenige Minuten später den Gipfel des 2.522 Meter hohen Gölls.

Überwechteter Grat zum Hohen Göll

 

Gipfelmeer

 

Die letzten Meter zum Gipfel mit wunderbarer Aussicht

Der Kristall in der Mitte des Kreuzes funkelte in der Wintersonne und die Berge reihten sich nebeneinander auf. Einer schöner wie der andere. Besonders der Watzmann stand wie immer irrsinnig imposant da. Nach einem Blick ins Gipfelbuch wusste ich, dass ich wohl der Erste seit drei Wochen am Gipfel bin. So einsam erleben auch nur die wenigsten den Hohen Göll.

Gipfelkreuz am Hohen Göll (2.522m)

 

Die Göll-Ostwand (Vielleicht auch bald bei bergaufundbergab)

 

Kristallklar 

 

Der König höchstpersönlich

 

Gipfelbuch

 

Nachdem ich mit dem Staunen fertig war und mich etwas gestärkt hatte, ging es anschließend wieder hinunter ins Tal. Der Abstieg war ähnlich wie der Aufstieg sehr, sehr schmerzvoll und besonders im unteren Teil des Alpetales kam ich sehr langsam voran. Nach 4:42 Stunden kam ich dann wieder beim Auto an und begutachtete meine geschwollenen Schienbeine. Nun freute ich mich auf die warme Heimfahrt zurück ins Innviertel.


Weitere Bilder gibt es wie immer hier: