9.5 Kilometer Wegstrecke, 1.150 Höhenmeter


Gemütlich aber ungemütlich: die erste Tour des Jahres




Von Gabriel Egger










“Hast du morgen schon was geplant?” 
“Die Wetterprognose schaut scheiße aus”
“Das ist mir bewusst. Aber es ist Sonntag und wir haben frei”


Wenn der Wind  die dicken Regentropfen lautstark gegen die Scheiben peitscht, die Bäume ihre kahlen Äste schwingen und dichte, graue Wolken die Berge einhüllen, dann ist es Zeit für ein Gespräch. Bergsport-Fanatiker nennen ihn den Schlechtwetter-Dialog. Ihm fehlen wichtige Eigenschaften einer normalen Unterhaltung: Umsicht, Tiefgang, Kompromiss. Darum endet er meistens auch mit beiderseitiger Zustimmung. Genau wie jener, den Berge erleeben– Headmaster Hans und ich führten.

Am vergangenen Sonntag hatte Frau Holle zumindest für einen hauchdünnen Vorwand gesorgt, um den gespenstischen Bedingungen zu trotzen. Die ersten Schneeflocken des Jahres waren pünktlich am ersten Jänner vom Himmel gefallen und haben die Berge  in jahreszeitkonforme  Farbe getaucht. Da sei man doch als Bergsportler verpflichtet nachzuschauen, was denn da wirklich aus den Kissen geschüttelt wurde- so zumindest der Wortlaut der Gedanken, die sich schon heimlich die Bretter an die nicht vorhandenen Füße geschnallt haben.

Der Schneefall intensiviert sich und wird vom Wind gegen die Nasenspitze getrieben, als wir in Rindbach aus dem warmen Auto steigen. Es fröstelt. Weil wir bei diesen Bedingungen Scheu vor dem Hochgebirge haben , ist die Entscheidung heute auf die Schlafende Griechin am Traunsee gefallen. Die hat recht. Schlafen, das wär’ jetzt auch nicht schlecht.

Vorbei am Gletscherschliff geht es über steile Serpentinen in den Wald hinein. Der Erlakogel war 2011 der erste Berg in meiner Karriere als schreibender Bergsportliebhaber. Irgendwie besteht seitdem eine enge Verbindung, obwohl ich nicht sonderlich oft hierher zurückkehre. Außer natürlich für eine exotische Skitour.

Die schlafende Griechin ist heute zudem nicht sonderlich zeigefreudig, versteckt sie ihre Vorzüge doch unter einer dicken Wolkendecke. Wir erreichen die Spitzelsteinalm. Die wirkt zumindest nackt, ganz ohne Hochlandrinder. Weg von den erotisierenden Phrasen, hinein in den Märchenwald. Da kommt Weihnachtsstimmung auf- am 3. Jänner.

Die Spitzelsteinalm auf 1.090 Metern

Vom Märchenwald queren wir die Forststraßen und blicken auf die traurigen Überreste von Kyrill, der hier im Jahr 2007 gewütet hat und sämtliche Bäume mit ins Tal nahm. Ich schreibe hier übrigens von einem Sturm, nicht vom Widersacher des Riesen Erla– der hatte es schon schwer genug in seinem überdimensionalen Leben.

Lange sehen wir den unästhetischen Windwurf nicht, denn auch 9 Jahre später trauen sich die Stürme noch ins Salzkammergut. Der Nebel hüllt uns ein und ein kalter Wind pfeift uns um die Ohren, als wir die letzten Meter zum Kreuz bergan steigen. Wirklich Freude macht das nicht mehr, allerdings stört es auch nicht . Wir sind draußen, das zählt. Genügsamkeit soll erlernt sein.

Wanderwetter könnte besser sein
Hans auf den letzten Metern

Obwohl nicht mehr als fünfzehn Centimeter Neuschnee liegen, wird es im oberen Bereich mit den Winterlaufschuhen schon unangenehm. Bald ist die Zeit des Alpin-Minimalismus wieder vorbei und statt den schönen Mustern der Sohlen werden sich Steigeisen-Spuren im Schnee finden. Doch auch ganz ohne Steigeisen ist der 1.575 Meter hohe Gipfel ohne Schwierigkeiten erklommen.Der Blick ins Salzkammergut wie immer fantastisch. Richtung Traunstein weißer Nebel, Richtung Totes Gebirge weißer Nebel mit einem Hauch von schwarz, Richtung Ebensee sogar weißer Nebel, durchzogen mit schwarz-grauen Farbtönen. Ein echter Natur-Picasso.

Der eiskalte Pfiffikus setzt dem Galgenhumor schnell ein Ende und im Eilschritt sausen wir wieder auf demselben Wege Richtung Tal. Und siehe da: ein Pärchen kämpft sich gerade die eingeschneiten Hänge hoch. Ein wahrer Härtetest für die Liebe.

Kurz vor dem Kreuz
Der Gipfel ist erreicht

Die Liebe ist ein seltsames Spiel, genauso wie die Outdoor-Aktivitäten bei Eis, Schnee, Regen und Wind. Niemand versteht sie, doch alle stehen drauf. Das wusste schließlich schon Connie Francis.

Beim nachmittäglichen Kaffee ist die Kälte schon wieder aus den Gliedern und aus dem Gedächtnis gewichen. Schön war es, auch ganz ohne Schönwetter.

Weil wir 2016 wieder innovativ sein wollen, gibt’s wieder den GPS-Track für euch. Könnte ja sein, dass der Weg einmal nicht ersichtlich ist 😉