600 Höhenmeter, 6 Kilometer Wegstrecke


Vom Frühling belohnt, vom Winter überrascht: Der ganz normale Wahnsinn in der zweiten Heimat


Von Gabriel Egger


Das klare Wasser des Traunsees glitzert in der  tiefstehenden Sonne, nach der sich die langen Hälse der gründelnden Schwäne strecken. In der Stadt schlendern die Familien bedächtig in der traditionellen Tracht an der idyllischen Esplanade entlang. Die grün-weißen Farben erinnern an den geflammten Dekor der berühmten Keramik.
Die verschenkten Lebkuchenherzen des Liebstattsonntags sind längst verzehrt und auch der Raddampfer Gisela lässt erst im Mai wieder Gäste auf seinen 144 Jahre alten Buckel. Der Geruch von Frühling dringt in unsere Nasen, als wir die trockene Luft beim Parkplatz am Gasthof Hoisn einatmen. Was man als Einleitung für eine weitere von 1691 abgeänderten Geschichten über den Traunstein enttarnen könnte, ist heute aber der Beginn einer neuen Art von Berichterstattung: Die Wettkampferzählung. Spannend, lustig, lehrreich- hoffentlich! Von der auktorialen Erzählsituation will ich mich nun ins Laufgewand schmeißen und euch unseren ersten gemeinsamen Wettkampf präsentieren:

Der 4. Fux’n Lauf in Gmunden sollte der Startschuss für die Berglaufsaison 2015 sein und eine erste Standortorientierung in Sachen Trailrunning. Noch nie zuvor war ich einen Wettkampf in der Vertikale gelaufen und umso gespannter war ich auf meine Leistung und das Starterfeld. Gemeinsam mit Berg- und Trainingspartner Moritz habe ich mir  die liebevoll und familiär organisierte Veranstaltung als ersten Bewerb im Laufkalender vermerkt.

Vom Parkplatz bei der Seilbahn soll es über den Ortnersteig und rund 600 positive Höhenmeter auf den 1.004m hohen Grünberg gehen. Von dort aus sind es weitere 300 negative Höhenmeter, die uns über den “Rosalsteig” zum Ziel beim Gasthaus Silberfuchs führen sollten.

Bevor wir uns beim Gasthof Steinmaurer die Startnummern holen, gibt es noch eine Aufwärmrunde in der malerischen Kaltenbachwildnis. 400 Höhenmeter und etwa fünf Kilometer später, stehen wir plötzlich am Schlosskogel (649m) und genießen die Sonne. Bei einem solchen Prachtwetter kann man einfach nicht still liegen, sitzen oder stehen. Die Wege in der Kaltenbachwildnis sind ein wahres Schmankerl für Geländeläufer und es macht richtig viel Spaß auf und ab zu sausen. Über Wurzeln, Stock und Stein und einige Seile ist auch der steile Schlussanstieg zum “Geheimtipp” Schlosskogel abwechslungsreich und macht Lust auf den bevorstehenden Wettkampf.

Aufwärmrunde in der Kaltenbachwildnis

 

Der Schlosskogel- Erreichbar direkt von der Forststraße, die zum Hernlersteig führt

Zufrieden holen wir uns die Startnummern 22 und 23 und besuchen noch kurz die heiligen Hallen von Thomas Bosnjak’s Trailshop. Zum ersten Mal bin ich glücklich, dass der Lohn noch nicht am Konto eingelangt ist.

Nach einem kurzen Briefing durch Veranstalter Christoph Hain geht es um 14.00 Uhr auch schon an den Start. Dort werden zuerst einmal die Hasen kräftig angefeuert. Der Fux’n- Lauf hat nämlich ein ganz spezielles Konzept: Die “Hasen” (sprich die Damen) starten zehn Minuten früher als die Fux’n (sprich die Herren). Wer die Hasen einholt, muss sie zumindest zehn Meter lang tragen um deren Pfötchen zu schonen.

Sechs verwegene Wildhasen gehen an den Start und hoppeln anfangs im gleichen Tempo zum Ortnersteig bergan. Zehn Minuten später geht es dann auch für uns los. Einem kurzen Tratsch mit Otto, der heute die exotischen Siegermedaillen zur Verfügung stellt (Medaillen mit Fuchsschwänzen) und mit seinem Hund Nelly an den Start geht , folgt ein letztes Schuhbandbinden und dann ertönt das Startzeichen.

Wenig verwunderlich setzt sich Josef “Joe” Dißlbacher gleich an die Spitze und lässt sich den Platz an der Sonne auch nicht mehr nehmen. Die Sonne ist mittlerweile wirklich zur Metapher geworden. Wolken haben den azurblauen Himmel eingenommen und sorgen für optimales Laufwetter. Der Ortnersteig zieht sich sehr steil bis zur Grünbergalm dahin- flache Passagen sind Mangelware. Nach rund zwanzig Minuten ist das Spitzenfeld auszumachen: Angeführt von Joe Dißlbacher folgen Moritz, Bergmarathon-Stockerlläufer Harald Weber, meine Wenigkeit und die Jungs vom Sprengkommando Matthias und Roman . Das Rennen um das Podium ist eröffnet.

Weil sich Harald um das erste Häschen annimmt, kann ich vorbeiziehen und mir zumindest kurzzeitig den dritten Platz sichern. Dicht hinter Moritz geht es die steile Skipiste hinauf, bevor wir eine Bierlabe am Grünberg passieren und dem steilen und heute auch eisigen Rosalsteig entgegenlaufen. Hier nehme auch ich mich in die Pflicht und trage ein Wildkaninchen um dessen Kräfte zu schonen. Vorm Rosalsteig , der in einem längeren Forststraßenabschitt mündet, springt die Dame ab und Harald kann wieder vorbeiziehen. Es entsteht ein wahres Kopf-an-Kopf Rennen bis zur Ziellinie.

Auf der Forststraße ist die Anstrengung schon vom Gesicht abzulesen

 

Moritz bei der Abzweigung zum Rosalsteig
Etwas weniger ästhetisch geht es auch für mich bergab

Schlussendlich passiert Moritz diese als großartiger Zweiter in einer Zeit von 35 Minuten und 54 Sekunden. Ein Schlusssprint bringt mich mit einer Zeit von 36:08 ebenfalls noch aufs Stockerl. Harald hat dafür  aber kurz vor Ende noch die Siegerin der Hasen, Erika, auf den Buckel genommen.

Harald trägt auch noch am Schluss, Foto: Fuxnlauf
Das Ergebnis

 

Und auch die Hasn sind tapfer ins Ziel gehoppelt

Die anschließende Siegerehrung im Gasthaus Silberfuchs ist  geprägt von Spaß und Spiel und nimmt dem Wettbewerb wieder den kurzzeitig aufgeflammten ernsthaften Charakter. Weil wir aber alle unsere Sachen am Seilbahnparkplatz zurückgelassen haben und unsere Nacht am Traunstein verbringen wollen, bleiben wir  nur kurz und laufen auf derselben Strecke wieder retour.

Das “Sieger”foto: v.l.n.r: Gabriel Egger (3., 36:08), Josef Dißlbacher (1., 34:44), Moritz Mayer (2., 35:54)

Zurück am Fuße des “Monte Verde”gibt es noch den schmackhaften “Siebenbürgen-Teller” im Gasthof Steinmaurer, bevor wir uns gut gestärkt zu unserem Nachtquartier aufmachen. Nocheinmal gilt es 1.200 steile Höhenmeter zum Biwakraum des Naturfreundehauses am Traunstein zu überwinden und dem bevorstehenden Wetterumschwung “davonzulaufen”. Im Eiltempo geht es über den versicherten Naturfreundesteig in die noch milde Nacht. Bald machen sich nicht nur der Schuhverschleiß, sondern auch Wind und die ersten Regentropfen, die in den Schein unserer Stirnlampen fallen, bemerkbar.

Am Südwestgrat (970m) angekommen, stellen wir für einen  Bruchteil von einer Sekunde die Sinnhaftigkeit unserer Unternehmung in Frage. Der Wille und der immer noch vorhandene Spaß beantwortet diese Frage aber schnell und es geht amüsiert weiter. Ab dem Bösen Eck (1400m) verwandelt sich der Regen dann in Schneefall und wird zusehends dichter und unagenehmer. Nach 80 Minuten ist es dann aber geschafft und wir können die Tür zum Biwakraum öffnen. Nach Bier und heiteren Gesprächen geht es schließlich in die Schlafsäcke, die uns eine wohlig-warme Nacht bescheren. Als ich um 01.00 Uhr für kleine Fuxn muss, steige ich bereits in eine geschlossene Neuschneedecke. Na das kann ja heiter werden.

Unser Nachtquartier

Die Wärme des Biwakraums lässt uns lange nicht los. Immer wieder nicken wir ein und erst um 08.00 Uhr trauen wir uns vor unsere “Haustüre”. 15 Centimeter weißes Gold hat Frau Holle über Nacht aus ihren Kissen geschüttelt und hat damit unseren “Stoa” wieder in ein Winterkleid gehüllt. Weil just in diesem Moment die dichte Bewölkung aufreisst und einen strahlend blauen Himmel offenbart, verbringen wir noch über eine Stunde auf der Terrasse der Hütte, bevor wir uns an den Abstieg machen. Auf den Gipfel müssen wir heute leider verzichten, haben wir doch nur die wasserdurchlässigen Laufschuhe an.

Auch der Abstieg funktioniert trotz der unwirtlichen Verhältnisse schließlich ganz gut und nach 70 Minuten erreichen wir wieder die gesperrte Lainaubrücke. Natürlich haben wir vorher die Zeche artig bezahlt und unseren Müll mit einem Plastiksack, der an Moritz Rucksack baumelnd immer wieder für einen Schlag auf den Hinterkopf sorgt (soll ja gesund sein), wieder mit ins Tal genommen. Die Chance auf Getränke und Betten (und in manchen Hütten auch auf Holz) sollten wir wahren, und das Vertrauen der Wirtsleute nicht sinnlos missbrauchen. Ein Umstand, der mir besonders am Herzen liegt.

Mystik am Traunstein
Unangenehmer Abstieg
Die Schnee-und Nebelgrenze durchstoßen wir auf etwa 900 Metern

Mit einem Spaziergang am See entlang zurück zum Parkplatz endet also ein sehr schönes und ereignisreiches Wochenende. Vielen Dank an die Organisatoren für den tollen Lauf und an Moritz für die gleichsame Traunstein-Biwak-Idiotie. Eine Fortsetzung folgt…mit Sicherheit.

Die Gesichter zum Wochenende