1.350 Höhenmeter, 13km Wegstrecke
Von Gabriel Egger

Das schöne Wetter, gepaart mit sommerlichen Temperaturen und der großen Lust wieder Fels zwischen den Fingern zu spüren, veranlasste mich heute wiedereinmal den Studenten-Rucksack mit dem Klettergurt zu tauschen. Gemeinsam mit Mathias, einem gern gesehenen Begleiter bei luftigen Gratbegehungen, habe ich mir den Attersee-Klettersteig auf den Mahdlgupf auserchoren um wiedereinmal ordentlich Luft unter den Allerwertesten zu bekommen. Und hätte sich Mathias am Vorabend nicht sämtliche Bänder gerissen, dann könnten wir jetzt über ein weiteres Kapitel gemeinsamer Klettereinlagen berichten. So aber mache ich mich allein vom Hotel Post in Weißenbach am Attersee auf den Weg, um den mit C bis D bewerteten Steig anzupacken. Im Laufschritt absolviere ich den erdigen Zustieg und stehe bald vor der eindrucksvollen Wand, durch die der frequentierte Steig direkt auf den Gipfel führt. Mit Blick auf den leuchtenden Attersee und die gegenüberliegende Nordseite des Schafbergs geht es vorerst unschwierig in B Passagen nach oben, bevor es zunehmend steiler wird und man die “Hühnerleiter” als Wandquerung benutzt.

Einstieg in den Attersee-Klettersteig

Umwerfende Blicke zu Schafberg, Attersee, Mondsee und Drachenwand

Die Schlüsselstelle, der sogenannte Schokoladen-Überhang, fordert noch einmal Muskelkraft, bevor es in weiteren Steilaufschwüngen dem Waldstück entgegengeht, in dem zum ersten Mal eine angenehme Ruhepause möglich ist. Außer mir ist heute niemand in den Klettersteig eingestiegen und so kann ich in Ruhe den Sahara-Sand betrachten, der sich wie ein Schleier um die umliegenden Gebirgsketten legt. Nach dem Waldstück erreichen mich auch die wärmenden Sonnenstrahlen und ich klettere in faszinierendem Ambiente dem Gipfel entgegen.

Famose Tiefblicke
Kurze Gratbegehungen nach dem Waldstück

An den verschiedenen “Checkpoints” sind Tafeln angebracht, die dem Begeher nocheinmal vor Augen rufen sollen, warum er sich diese körperliche Anstrengung zumutet. Neben “Das Leben ist geil” sind es auch diverse hochphilosophische Sprüche, die den Kletterer nocheinmal in sich kehren lässt.

Franz Werfel’s Lebensphilosophie hoch über dem Attersee: “Wenn alle Wege verstellt sind, bleibt nur der Weg nach oben”

Von einem großartigen Panorama wird man durch den Steig begleitet

Den noch etwas schwierigeren Gipfelaufschwung hinter mich gebracht, stehe ich vor dem Steigbuch und somit auch am Ende meiner heutigen Klettersteig-Einlage. Am Mahdlgupf angekommen befreie ich mich von der zusätzlichen Ausrüstung und raste kurz, bevor ich den völlig schneefreien Anstieg zum Dachsteinblick in Angriff nehme. Zu diesem Zeitpunkt spekuliere ich noch mit einem Übergang zum Hochleckenhaus und versuche daher ein hohes Tempo anzuschlagen.

Ausstieg direkt am Gipfel des Mahdlgupfs

In weniger als dreißig Minuten erreiche ich das Kreuz am Dachsteinblick und erkenne, dass sich auch das sonnige Wetter langsam davon schleicht. Wolken und scheinbar auch immer mehr Sand finden den Weg ins Salzkammergut, denn die Gipfel des Toten Gebirges sind nur mehr schwer auszumachen.

Am Dachsteinblick (1.559m)

Der Dehydrierung entgegengewirkt, geht es nun über eine geschlossene Schneedecke in Richtung Brennerin. Kurz bevor die Spuren aber zum 1.604m hohen Aussichtsgipfel führen, wende ich mich nach rechts um einen Blick übers Plateau zu erhaschen. Ein Übergang zum 1.572m hohen Hochleckenhaus, das seit 30. März bereits wieder für leibliches Wohl sorgt, wäre möglich, aber dafür müsste ich heute hetzen. Diese Freuden überlasse ich einem älteren Ehepaar, das ich noch länger beobachte, bis sich ihre Spuren im Latschendickicht des Höllengebirges verlieren. Bevor ich aber zur Brennerin schreite, die ihren Namen der Rodungslust der Menschen verdankt, erspähe ich einen von Latschen durchsetzten Hügel am rechten Rand des Plateaus. Es handelt sich dabei um den 1.607m hohen Salzberg, der nur selten bestiegen wird, obwohl er doch einen schönen Blick über das Plateau und zum nahen Brunnkogel zu bieten hat. Immer wieder tief einbrechend nähere ich mich dem unscheinbaren Gipfel und freue mich doch noch etwas Neues auf einer altbekannten Route entdecken zu können- ein Umstand, der für mich den Sport in den Bergen immer wieder zu einem besonderen Erlebnis macht.

Brunnkogel (1.708m) vom Salzberg aus gesehen

Etwas wehmütig blicke ich auf das Hochleckenhaus und beginne  zum zweiten Mal in diesem Jahr den Anstieg zur Brennerin, wo ich mir über meinen Abstiegsweg Gedanken mache. Die Möglichkeit über den Brennerriesensteig zum Forstamt abzusteigen verwerfe ich aber nach wenigen Sekunden wieder, weil ich dem Kleinen Schoberstein noch einen Besuch abstatten möchte.

Minuten der Ruhe am einsamen Gipfel der Brennerin

Über selbigen Weg laufe ich wieder talwärts und befinde mich in Windeseile  an der Abzweigung zum Kleinen Schoberstein, wo ich wieder einmal einen Hauch von gesellschaftlichem Leben verspüre. Ich erklettere noch den kleinen Bruder des Schobersteins, der im Gegensatz zu seinem Geschwisterchen nicht von Menschenmassen zertrampelt wird, und begebe mich dann endgültig auf den Weg zurück ins Tal.

Am Kleinen Schoberstein (1.000m)

Bevor ich die Landeshauptstadt wieder mit meiner Anwesenheit beehre, wird die Wartezeit im “Bierkrügerl” überbrückt, wo ich intensiven Diskussionen über Fahrtgeschwindigkeiten beiwohnen darf.
Und wer (wie ich hoffe) noch nicht genug Bilder gesehen hat, dem sei ein Blick ins folgende Fotoalbum des ereignisreichen Tages vergönnt: