Sie sind selten schön und doch gleich zu dritt. Die Drei Zinnen in den Sextner Dolomiten gehören zu den bekanntesten Bergen der Welt.
Moritz Mayer steigt mit euch auf die Große Zinne (2.999m). Ob der eine Meter weh tut?

Zinnen. Relikte aus einer fast vergessenen Zeit. Im Mittelalter verteidigten Ritter damit ihre Burgen. Mit unserer heutigen Zinne wäre garantiert niemand mehr in ihre Festungen gekommen. 2.999 Meter ist sie  hoch. Leider schon etwas verfallen und sie bröckelt weiter vor sich hin. Kein Wunder, den gemeinsam mit ihrem kleinen Bruder und westlichem Nachbarn hat die Große Zinne schon einiges über sich ergehen lassen müssen.

1869 geriet sie das erste Mal in Kontakt mit der Menschheit. 1915 war sie stiller Zeuge eines kalten und grausamen Gebirgskrieges. Heute ist sie in Südtirol Touristenmagnet Nummer eins und gehört auf jede südtirolerische Postkarte. Bergsteigern allerdings, reicht es nicht sie nur auf einem Stück Karton zu sehen. Wir müssen da rauf!

Also ab zum Auto, anschnallen nicht vergessen und ab  nach Italien.

Mein Begleiter für dieses Vorhaben ist Michael der mit mir schon größere Aufgaben bewältigt hat. Das Bundesheer zum Beispiel. Oder kleinere. Den Aufstieg zur Dreizinnenhütte (2.430m), den Paternkofel (2.744m) und den Vorgipfel der Kleinen Zinne (2.810m) zum Beispiel. Aber das sind andere Geschichten. Sie geistern mir im Kopf herum, als ich mir in der vollbelegten Dreizinnenhütte die Decke über den Kopf ziehe.

 

Die “Drei Zinnen” bei unserem Ankunftsabend

 

Der spitze Paternkofel (2.744m)

 

Die Kleine Zinne hat es in sich

 

Kurz vorm Sonnenuntergang drehen wir um…

Dann bricht endlich der Tag an. Sonnenaufgang am Montag den 21. August 2017 auf 2.430 Metern mit Blick in die erst seit wenigen Sekunden beleuchteten Nordwände der drei Zinnen. Nach einem deftigen Frühstück packen wir unsere sieben Sachen zusammen und treten vor die Hütte. Eigentlich sollte es heute über die Dibonakante auf den Gipfel der größten Zinne gehen, allerdings hat uns unsere Tour am Tag zuvor umgestimmt. Andere Geschichte, sag ich ja.

Sonnenaufgang auf der Dreizinnenhütte (2.430m)

 

Die Bödenseen am Morgen

 

An der Nord-Nord-Westkante dieses Berges waren wir gestern unterwegs

Den Zustieg kennen wir jetzt zumindest gut. Zuerst geht es leicht ansteigend zum Zinnenjoch und anschließend direkt unter den Wänden der Kleinen Zinne (2.856m) zum Anfang der Scharte zwischen dieser und der Großen Zinne. Zinnenfenster würde man so etwas im Mittelalter nennen.

Am Weg zum Einstieg

Wir werden also heute über den Normalweg aufsteigen, welcher laut Topo den oberen dritten Schwierigkeitsgrad erreicht. Der Einstieg befindet sich auf etwa 2.580 Metern. Dort setzen wir uns unsere Helme auf und freuen uns auf eine spannende Tour auf einen der bekanntesten Gipfel der Welt. Zuerst geht es über eine leichte Felsrampe etwa 30 Höhenmeter schräg bergauf. Anschließend gelangt man in eine Schlucht von welcher man einen fantastischen Blick auf den Normalweg der Kleinen Zinne werfen kann.

Die Einstiegsrampe

Die relativ breite Schlucht stellt uns ebenso wie die Einstiegsrampe vor keine großen Schwierigkeiten und wir klettern genüsslich im zweiten Schwierigkeitsgrad einer engen Scharte entgegen. Hier bekommt man das erste Mal den Durchblick zur Westlichen Zinne (2.973m).

Die Kleine Zinne

 

Michael kurz vor der ersten Scharte

Nun geht es über einige steile Felsstufen und anschließende Schuttbänder weiter aufwärts. Die Aussicht ist wirklich grandios und wird von Höhenmeter zu Höhenmeter besser.
Marmolada, Monte Cristallo und Zwölferkogel sind nur einige der “Eye-Catcher”.

Michael im gestuften Klettergelände

 

Dolomiten-Panorama, unten rechts die Auronzo-Hütte

Mittlerweile haben wir eine Seehöhe von 2.740 Metern erreicht. Hier befindet sich eine weitere Scharte. Es wird steiler und auch schwieriger. Das Seil lassen wir aber noch im Rucksack, da wir uns beide sicher fühlen und so viel schneller unterwegs sein können. Kletterstellen zwischen zweitem- und drittem Schwierigkeitsgrad wechseln sich ab und wir gewinnen rasch an Höhe.

Das Gelände wechselt zwischen Gehgelände und leichten Kletterstellen umgeben von Schutt

Nun stoßen wir auf einen schwach ausgeprägten Kamin der oben anscheinend ohne Übergang in eine steile und überhängende Wand leitet. Wir sind kurz skeptisch und sehen auf die Topo. Nun begreifen wir es. Erst am zweiten Blick in die Wand erkennt man, dass der Kamin oben nach rechts zieht. Dort sollte sich laut Topo auch die Schlüsselstelle des Normalweges befinden. Der berüchtigte Innerkofler-Kamin ist Mittelpunkt vieler Internetdiskussionen. Noch können wir ihn aber nicht einsehen und somit bleibt uns nichts anderes über als weiter in Richtung Gipfel zu klettern.

Der schwach ausgeprägte Kamin

 

Wir klettern höher

Nun stehen wir vor der Schlüsselstelle. Ein glatter und relativ enger Kamin. Ich versuche gleich einmal direkt durch ihn durchzuklettern, doch so leicht ist der Innerkofler nicht zu knacken. Ich bleibe stecken. Zugenommen? Der zweite Versuch klappt dann und nun ist auch die Schlüsselstelle gemeistert. Michael zwängt sich ebenfalls mit aller Kraft durch den engen Felsspalt und kommt zu mir hoch.

Der Innerkofler Kamin (III+) beginnt

 

Spreizen ist angesagt

 

Michael am Ausstieg des Kamines

Nun sind es nur noch wenige Höhenmeter zum Ringband. Dieses leitet uns in flachem Gehgelände einige Hundert Meter in Richtung Westen bevor der finale Gipfelaufschwung kommt. Wie auf einer Aussichtsplattform spazieren wir auf 2.920 Metern direkt in der Südwand der Großen Zinne über das schuttbedeckte Ringband. Momente für die Ewigkeit.

Unglaubliches Panorama

 

Tiefblicke zur Kleinen Zinne

 

Der Blick nach Auronzo di Cadore mit dem Lago di S.Caterina

Jetzt ist es fast geschafft. 80 Höhenmeter trennen uns noch vom Gipfel. Achtung Steinschlag! Mehrmals fallen faustgroße Steine aus der Gipfelregion zu uns hinab. Einer trifft mich am Helm, doch dieser erfüllt Gott sei Dank seinen Zweck. Vorsicht ist geboten. Einige Meter später sehen wir zwei Seilschaften. Das sind wohl die Übeltäter.

Summit!

Endlich sehen wir das Gipfelkreuz. Nur noch wenige Meter trennen uns von dem schönen Metallkreuz auf 2.999 Metern. Auch der sogenannte “Böse Block” hält uns jetzt nicht mehr auf. Die letzten Meter noch im Laufschritt und schon stehen wir oben. Endlich!

Cima Grande (2.999m), mein Kopf allerdings schon über 3.000 Meter, gerade so halt

 

Zwölferkogel (3.094m)

Die Aussicht in die Dolomiten ist grandios. Perfekte Fernsicht bei perfektem Wetter und noch dazu fast windstill am Gipfel.  Der österreichische Alpenhauptkamm verlängert unseren Gipfelaufenthalt. Großglockner, Weisskugel, Großvenediger, Similaun und viele weitere schneebedeckte Gipfel schauen zu uns herüber.

Nun wird es aber wieder Zeit für den Abstieg. Die Abstieg gehört auf der Großen Zinne (zumindest für uns) zu dem gemütlichsten Teil der Tour. Wir holen das 60 Meter Seil aus dem Rucksack und beginnen uns abzuseilen. Es funktioniert super und wir rauschen die steilen Felswände der Südwand im  hinab.

Abwärts gehts!

Schon nach zwei Stunden erreichen wir wieder den Einstieg des Normalweges und blicken noch einmal die Wände hoch. Eine echt coole Tour, da sind wir uns einig. Nun gibts aber Mittagessen auf der Lavaredo Hütte. Ein steile Schuttrinne führt uns schnell und direkt zu diesem Touristenmagnet auf 2.344 Metern hinab. Spaghetti und ein Cola haben wir uns wahrlich verdient.

Durch die Schuttrinnen geht es schnell bergab

 

Die Dreizinnenhütte (2.430m)

Es ist vorbei! Die Große Zinne ist bestiegen, doch auch der nächste Tag sollte noch sehr spannend werden: andere Geschichte!