2.350 Höhenmeter, 16 Kilometer Wegstrecke
Man muss nur spontan sein, alles andere ergibt sich von selbst

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  • Kleiner Schönberg (895m) via Nordflanke
  • Langriedeleck (1.031m)
  • Gmundner Hochkogel (1.486m) via Westgrat (I-II)
  • Traunstein (1.691m) via Südgrat (II-III)
Nur die hartgesottensten Traunsee-Vagabunden können diese gefinkelte Titelfrage einer positiven Antwort würdigen. Das Langriedeleck ist tatsächlich kein Blickfang und fristet neben dem formvollendeten Traunstein, dem Schwan der Umgebung, ein Dasein als hässliches Entlein. Wer sich aber gerade in der Sommersaison, wenn sich die Hüttenwirte am Traunstein wieder über regen Besuch und das ein oder andere leere Bierfass freuen dürfen, abseits der Trampelpfade bewegen will, ist mit einer Abenteuerrunde im Bereich der Traunsee-Zwerglein gut beraten. Und je näher die Zwerge kommen, desto riesenhafter präsentieren sie sich. Und dass auch der kleine David dem großen Goliath die Stirn geboten hat, dürfte hinlänglich bekannt sein.

Aber auch uns lockte erste eine spontane Eingebung auf die Westseite der Gmundener B-Prominenz. Nach getaner Arbeit ließ die Sonne keinen Zweifel über einen Gang in die Berge zu und so setzten sich Hans und ich den Südgrat am Traunstein als Ziel ,um wiedereinmal ein paar rauhe Felsen zwischen den Fingern zu spüren.

Wir starten um kurz nach 13.00 Uhr vom bereits gut besuchten Ostuferparkplatz, nichtwissend, dass sich der Kreis erst acht Stunden später wieder schließen sollte. Wir entscheiden uns für einen idyllischen Zustieg über den Miesweg und schlendern vorerst gemütlich am See entlang. Weil Hans die Nordkante auf den Kleinen Schönberg auch gerne erkunden möchte, ist der ursprüngliche Plan schon nach wenigen Metern auf den hölzernen Brettern Geschichte.

Zustieg am Miesweg

Wir steigen also, wie vor wenigen Tagen, kurz auf der Forststraße Richtung Mairalm hoch und biegen in den deutlich sichtbaren Ziehweg und in weiterer Folge zur Wildfütterungsstelle ein. Die ersten Meter noch am wahrhaftigen Zustieg zur Nordkante, zieht mich ein weiterer Weg, der die ersten Felsen umgeht, in seinen verführerischen Bann. Und wie es so ist mit Kindern des Alpinismus, ist etwas Neues stets interessanter und so folgen wir dem recht gut ausgetretenen Weg, der sich westlich des Grats durch Wald und Schrofen schlängelt.

Seitenblick zum Traunstein

Wir umgehen somit (leider) den gesamten Grat und stehen nach einer kurzen Kletterstelle (I) mitten am Wanderweg zum Kleinen Schönberg, dessen Kreuz uns nur mehr durch eine seilversicherte Stelle vorenthalten wird. Wir wagen auch noch diese wenigen Schritte und so pausieren wir bei Sonnenschein und dem schon liebgewonnenen Panorama mit einem zielstrebigen Blick auf den Gmundner Hochkogel, der von dieser Seite abweisend und abenteuerlich wirkt.

Der Kleine Schönberg (895m)
Der wunderbare Blick rüber nach Traunkirchen und zum Farnaugupf

Was die Augen schon längst ins Visier genommen haben, ist mittlerweile auch in unseren Köpfen angelangt. Die Zeit sollte reichen um vor dem Südgrat auch noch den Gmundner Hochkogel weglos zu erkunden. Einen Weg gibt es auf den sehr selten bestiegenen Gipfel aber ohnehin nicht. Auch der “Normalweg” über die langen Forststraßen der Mairalm ist nicht unbedingt ein Genuss und bedarf einer gewissen Orientierungsfähigkeit. Vom vermeintlichen Gipfel des Schönbergs geht es zunächst auf dessen höchsten Punkt (etwa 930m) am bewachsenen Grat und über herrlich steile Waldwege in Richtung Forststraße, die uns beim Traunsee-Bergmarathon nach Karbach führen wird. Vorbei an einem Feuersalamander, dem der Wechsel zwischen Regen und Sonnenschein offensichtlich zu schnell gegangen ist, stehen wir schon bald vor einem dichten, steilen Waldschlag. Nicht einmal der Ansatz eines Weges ist erkennbar und so schlagen wir uns über Totholz, nasse Felsen und gemüsiges Dickicht in meist direkter Linie auf einen Sattel hoch.

Es war doch grade noch so schön nass?
Schon im angenehmeren Teil

Den Sattel erreicht, geht es mehr oder weniger ohne große Orientierungsschwierigkeiten dem zweiten Gipfel des Tages entgegen. Wir folgen einem Grat, der immer schmäler wird und schließlich mit einer kurzen Klettereinlage (I) umgangen werden muss. Ein Blick in die virtuelle Karte zeigt, dass wir wenige Meter vor einer famosen Erstbesteigung stehen. Das Langriedleck mit seinem felsigen Rücken, den breitgebauten grasigen Schultern und dem interimistischen Kreuz auf dem Haupt lädt uns ein, unsere heutige Rallye kurz zu unterbrechen.

Typisches Gelände am Weg zum Langriedleck
Am Gipfel, mit dem nächsten Ziel im Hintergrund

Nun gilt es einen geeigneten Weg zur Forststraße zu finden, die uns von Weitem wie ein Talisman leuchtet und eine kurzzeitig angenehmere Beschäftigung für die Beine verspricht. Zuerst noch recht deutlich dem Grat entlang, muss über steilere Schrofen abgestiegen, oder über einige lockere Felsen (I-II) abgeklettert werden. Nicht lange und die Schwierigkeiten gehen in ein strahlendes Ambiente des mystisch ausgeleuchteten Waldes über und einmal mehr kommen mir die zauberhaften Wesen Mittelerdes (Anm. Der Herr der Ringe) in den Sinn.

Wir treffen auf eine Forststraße, der wir solange folgen, bis uns ein forstliches Sperrgebiet eine große Portion Salz in die alpine Suppe streut. Wir wären aber keine Abenteurer, wenn wir uns hiervon beirren lassen würden und steigen vor der Sperre am Rande der Legalität direkt im Wald bergan. Der Kompromiss mit der Forstwirtschaft verlangt uns zuerst einiges an Kraft ab, müssen wir sehr steil über umgefallene Bäume und dichtes Geäst dem Hochkogel entgegen steigen.

Am Weg zum Hochkogel

Bald aber erreichen wir wieder schöneres Gebiet und Felsen laden zum Klettern ein, bevor wir endgültig die letzte “Wand” vor dem Westgrat auf den Hochkogel erreichen. Durch losen Schotter erfolgt der Zustieg und kurz vor dem Einstieg in eine herrliche Rinne kann man sich entscheiden, ob man doch lieber mit den Füßen arbeitet und die Kletterstellen auf der rechten Seite umgeht. Sonst warten ganz kurze Stellen im II. Schwierigkeitsgrad auf den ambitionierten Gipfelgänger und führen zu einem kurzen, aber sehr schönen und teils ausgesetzten Grat.

Durch diese Rinne geht es aufwärts
Bereits am oberen Ende
Beim Ausstieg der Blick zum Vorgipfel

Man folgt dem kurzen Grat und steht nach einer kurzen Kletterstelle (I-II) am Vorgipfel des Gmundener Hochkogels. Von hier aus sind es nur mehr wenige Meter bis zur Gipfelschatulle, die etwa 20 Meter weiter westlich des von einem hölzernen Kreuz gezierten Gipfels, angebracht ist.

Der Vorgipfel
Der Gipfel des Gmundener Hochkogels (1.486m)

Nach einem kurzen Plausch mit virtuellen Bekanntschaften (Ja, auch am Hochkogel kommen die Leut zusammen), schlagen wir uns über den spärlich mit schwarz-weißen Schildern markierten Weg zur Mairalm hinab. Hier treffen wir sogar noch auf einige Schneereste und dürfen uns über eine Gratis-Wäsche unserer verdreckten Schuhe freuen. Kurz wächst in mir der Wunsch auch noch den nahen Wandlkogel zu besuchen, doch die Zeiger der Uhr bewegen sich unerbittlich und der nahe Traunstein leuchtet in seinen verlockendsten Farben im schwindenden Sonnenlicht.

Abstieg Richtung Mairalm
Wundervolles Panorama

Wir erreichen die Mairalm, die ja bereits wieder hungrige Wanderer und Spaziergänger versorgt, und steigen ohne große Verzögerung in den Südgrat des Traunsteins ein. Die befürchtete Verschlimmerung des Geländes durch Sturmtief Niklas hat sich nicht eingestellt und wir dürfen uns bald ungeniert über ausgiebigen Kletterspaß freuen. Mittlerweile ist es 17.30 Uhr und die Sonne zeigt nocheinmal wie ausgeruht sie aus dem Winterschlaf gekommen ist.

Mairalm
Am Südgrat

Die einzig wirklich anspruchsvolle Kletterstelle (III) ist bald überwunden und wir dürfen uns über die erste (offizielle) Besteigung im Jahr 2015 freuen. Das Steigbuch auf 1.140 Metern ist dünn und dennoch sind nur ein Viertel der Seiten beschrieben. Immer wieder komme ich gerne hierher zurück und genieße die Einsamkeit und die Abwechslung, die dieser wild wuchernde Grat garantiert.

Die “Schlüsselstelle” des Grats
Die erste Besteigung des neuen Jahres- auch die weihnachtlichen Kollegen sind nicht unbekannt

Über wunderbare, teils auch ausgesetzte Kletterstellen im vorrangig II. Schwierigkeitsgrad, geht es zur immer wieder undankbaren Latschenzone, die sich oft als Irrweg präsentiert. Hier ist es wichtig vorerst den Steinmännern zu folgen und schließlich eine gute Linie durch die Bergkiefern zu finden.

Der Latschenzone entgegen
Die letzten Kletterstellen

 

Das einzigartige Traunstein-Panorama

Wir erreichen nach genau zwei Stunden, um kurz nach 19.00 Uhr den Ausstieg und müssen uns nur noch kurz über schneebedeckte Latschen zum Gipfel plagen. Ansonsten ist am Wächter bereits der Frühling in seiner vollen Blüte eingekehrt. Der Schnee hat sich zurückgezogen, auch die Grüne Gasse lacht schon beinahe schneefrei aus dem Osten des Berges herauf, als würde sie darauf warten wiedereinmal von mir “getreten” zu werden. Die Hütten sind bereits emsig am Vorbereiten um die bevorstehende “Massephase” zu überstehen. (Eine gekonnte Fitness-Metapher direkt aus dem wenig ausgeprägten Bizeps.) Ich stehe am Gipfel und mich überkommt ein zufriedenes Lächeln. Es ist einfach schön, wenn sich die Wärme wieder festsetzt und für ein frohes Gemüt sorgt.

Die letzten Meter
Frühling am Traunstein
Abendsonne am Gipfel

Einem kurzen Gipfelaufenthalt folgt der obligatorische Übergang zum Naturfreundehaus, wo wir uns ein letztes Mal mit Getränken aus dem Biwakraum stärken. Am zweiten Mai eröffnet die Hütte mit einer Open-End Feier, die so manchen anstrengenden Aufstieg im wahrsten Sinne des Wortes vergessen machen wird.

Nehmt Platz und genießt!

Mit einem weinenden Auge, weil die spannende Wintersaison, die vor allem unserem jungen Moritz extravagante Aufstiege geboten und mir den ersten Gipfelgang des neuen Jahres ermöglicht hat, vorbei ist und mit einem lachenden Auge, weil der Sommer mit seinen unendlichen Möglichkeiten auf uns wartet, geht es über den Naturfreundesteig und die Scheißhäuslrinne ins Tal.  Ein unendlich langer Satz geht fast genauso zu Ende, wie der Tag am Traunstein: Mit einem Sonnenuntergang, der sich in den schönsten Farben gewaschen hat.

Bis zum nächsten Mal, lieber Traunkirchner Kogel !

Spontanität ist immer noch ein wichtiger Aspekt der Tourenplanung! So sind aus dem angestrebten Grat, satte 2.350 Höhenmeter, 16 Kilometer Wegstrecke und vier Gipfel geworden. Mehr werden es am Traunstein nur am 05. September…

Der Countdown läuft…

Für etwaige Spontanität am Traunsee halten wir für euch weitere Bilder und den GPS-Track bereit: