Schon wieder ich, schon wieder eine Nordwand und schon wieder das Tote Gebirge! Obwohl man gut ohne Seil durchkommt, bin ich diesmal so schlau und stell die wunderbare Felskletterei unter “Alpines Klettern”, dass Herr Huber aus Ostdeutschland (Liebe alpine Nachbarn, verzeiht mir den unwürdigen Vergleich ) beim verspäteten Frühstück auf der Welser Hütte nicht zu seiner Angetrauten sagt: “Mensch Schatz, guck mal! Tring deine Blämbe und iss deine Bemme, wir wandern durch de Wand”.

Obwohl die Wand mit Sicherheit mehr begangen wird, als es den Anschein macht, findet man in der virtuellen Welt kaum etwas darüber. Soweit ich die unendlichen Weiten des World-Wide-Webs durchforstet habe, gibt es im Forum Gipfeltreffen nur einen Frage-Antwort Thread diesbezüglich. Will man die Wand im Winter durchsteigen und abfahren findet sich aber Brauchbares um die äußerst spannende Unternehmung in die Tat umzusetzen (Hut ab, an dieser Stelle.)

Kurzer Prolog: Bei unserer Tour durch die Schermberg-Nordwand und dem anschließenden Ausflug zum Kreuz ist uns die äußerst aparte Wand zum ersten Mal ins Auge gesprungen. Nach längerer Studie waren wir uns sicher eine Linie zu finden, die den II. Grad nicht übersteigt und dennoch von Gisbert Rabeders irritierenden Ausführungen abweicht. Wir fassten also den nächsten stabilen und arbeitsfreien Tag ins Auge um mit dem Höchsten des Toten Gebirges auf Tuchfühlung zu gehen.

Weil der einzig durchgehend schöne Freitag aber mit Arbeit zugedeckt war, entschlossen wir uns die Tour auf zwei Tage aufzusplitten. So startet das Nordwand-Duo (Maurice und Ich) also um kurz nach 19.00 Uhr von Linz aus die Reise in ein wohlbekanntes Betätigungsfeld. Den Aufstieg Richtung Welser Hütte starten wir um 20.30 Uhr und die Dämmerung offenbart uns herrlich-kitschige Einblicke in die Schermberg-Nordwand, deren Einstieg (Welser-Weg) wir schnellen Schrittes passieren. Weil die Hütte natürlich zum Bersten voll ist, haben wir uns für ein Biwak unter Sternen entschieden und sind dementsprechend voll beladen.

Wir erreichen um kurz vor 22.30 Uhr die Welser Hütte und können bei Hüttenwirt Leo sogar noch ein wohlverdientes Bier schlürfen, bevor es in die Schlafsäcke geht. Hier treffen wir auch die “Almtaler Elite”, die uns mit ihren tollen Beschreibungen den schnellen Durchstieg der Schermberg-NW ermöglichte. Die Beiden haben sich ebenfalls die Nordwand des Priels zum Ziel gesetzt.

Wohlverdiente Erfrischung nach einem schwerbepackten Aufstieg

Wir verlassen die Hütte, steigen knapp 20-30 Höhenmeter bergan und können uns bei direktem Blick in die Nordwand und Beinahe-Vollmond zu einem Schläfchen niederlassen.

Unser Biwakplatz unter den Sternen

ls um etwa 05.30 Uhr der Wecker klingelt, sind wir bis in die Haarspitzen motiviert, packen unsere Sachen zusammen, laden das Nötigste in die mitgebrachten kleinen Rucksäcke um und beginnen mit dem Zustieg durch das Schuttfeld in der oberen Ackergrube. Die Sonne begrüßt uns hierbei majestätisch. Fast ein rührender Moment.

Beim Zustieg über das Schuttfeld geht langsam die Sonne auf

Bei einer Gedenktafel klettern wir auf ein schmales Band, das uns doch ziemlich ausgesetzt in die Nordwand führt. (Einstiegshöhe etwa 1900m)

Laut Rabeder quert man dieses Band weiter nach links, wir aber wenden uns nach rechts um über etwas Schutt und kompakte Kletterstellen (bis II+) durch eine Rinne das in die Wand eingebettete Schneefeld zu erreichen. Ein Helm ist trotz recht griffigem Fels unerlässlich, weil sich der Schotter nicht mit Herumliegen zufrieden gibt.Die Ausblicke werden immer fantastischer und bald sind wir in Höhe des 2.174m hohen Kreuzes.

Das ausgesetzte Band, das in die Nordwand führt
Über kompakten Fels geht es herrlich griffig aufwärts

Über kurze Schrofenpassagen (I) geht es dem Schneefeld entgegen, das uns mit einem kühlen Wind begrüßt. Zuvor sind noch leichte Kletterstellen im II. Schwierigkeitsgrad zu bewerkstelligen (ACHTUNG, Genussklettern!) .

Das Schneefeld wollen wir am äußersten Rand über Bänder nach rechts verlassen und testen gleich einmal die Beschaffenheit. Der Schnee ist mit Eis durchzogen und ohne Steigeisen kommt man, aufgrund der Steilheit, mit Sicherheit nicht direkt an das obere Ende. Also kurz rauf, und Querung nach rechts um über etwas unangenehmes und teils schwierigeres Gelände die weiße Pracht zu umgehen.

Über Schrofengelände geht es zum ewigwährenden Schneefeld in der Nordwand
Das Schneefeld (wird später rechts umgangen)

Es folgt eine lange Querung nach Rechts. (Hier ist ein Schlaghaken angebracht und bestätigt bei eventueller Nachahmung die richtige Routenwahl). Über Bänder und gestufte Wandpassagen klettern wir nach oben. (Hier teils brüchig). Die kurzen Pausen nutzen wir mit offenem Mund für Staunen und Grinsen.

Bald können wir die Begeher des breiten Priel-Grates erspähen und könnten die Wand bereits verlassen um auf dem Normalweg die letzten Meter zu absolvieren. Wir queren aber wieder weit nach links um die Direktvariante zu nehmen und knapp neben dem Nordgrat das eindrucksvolle Kreuz zu erreichen.

Das Gelände nach dem Schneefeld
Weite Querung nach links

Hier sind wieder einige Kletterstellen im oberen II. Schwierigkeitsgrad zu bewerkstelligen, aber außer losem Gestein in Schotterform gibt es auch hier keine nennenswerten Probleme.

Der allerherrlichste Moment folgt nach einer kurzen Kamin-Durchkletterung. Das knallrote Kreuz des Priels taucht über unseren Köpfen aus und die Freude über die letzten genussvollen Platten ist riesig. Über gratähnliches Gelände steigen wir die letzten Höhenmeter nach oben um direkt unter dem Gipfelkreuz den letzten leichten Aufschwung zu meistern.

Nach dem Kamin ist das große Kreuz des Priels bereits zu sehen
Moritz kurz vor dem Ausstieg 
Die letzten Meter zum Gipfel des Großen Priels (2.515m)

Um 08.00 Uhr, nach zwei Stunden in der wunderbaren, aber schattigen Nordwand erreichen wir den Gipfel und lassen uns von der Sonne für diese grandiose Begehung belohnen.

Moritz am Gipfel des Großen Priels

Nach einigen netten Gesprächen mit Bekanntschaften aus dem Forum/Internet verabschieden wir uns, um noch mit dem Brotfall-Nordgipfel die 6.höchste Erhebung des Toten Gebirges mitzunehmen. Weil ich bereits um 15.00 Uhr wieder am Linzer Hauptplatz sein muss um dem Betriebsausflug meiner Teilzeit-Beschäftigung auf die Adamekhütte und in weiterer Folge auf den Dachstein beizuwohnen, sputen wir uns und flitzen zur Brotfallscharte um den leicht erreichbaren Gipfel zu erklimmen. Der Südgipfel sieht da schon interessanter aus.
Blicke über das Tote Gebirge
Am Weg zum Brotfall (2.380m, links)

Vom Brotfall (2.380m) schlagen wir uns über Bänder wieder zurück zum Normalweg Richtung Fleischbanksattel durch. Freudensprünge inklusive!

Wieder zurück zur Welser Hütte

Wir sind aber heute nicht die Einzigen, die einen Zahn zugelegt haben. Auf Höhe des Hansbauer-Bandes kann ich den Brunftschrei einer mir wohlbekannten Stimme vernehmen: Die linke Hand Gottes, der Maradona des Toten Gebirges Lampi lässt auf dem Normalweg kein Gras mehr wachsen. Sehr erfreut über die Begegnung lassen wir uns kurz auf der Welser Hütte nieder um auf die Touren (Lampi per Nordgrat) anzustoßen. Während Messi wieder nach unten jagt, packen wir unser Zeug zusammen und machen uns nach Verabschiedung vom Hüttenteam wieder an den ewigen Abstieg zurück zum Almtalerhaus.

Ein kurzes “Gipfeltreffen” auf der Welser Hütte
Im Laufschritt zurück zum Parkplatz beim Almtalerhaus

Wir erreichen um etwa 12.40 Uhr das Almtalerhaus, wo wir den nächsten Gipfeltreffler treffen (Hans, es wird Zeit gemeinsam die Schnürsenkel zu binden). Nach einem kulinarischen Genuss von Amerikas Fettmacher-Industrie (Anm. Mc Donalds) erreichen wir Linz, wo Moritz wieder den Weg ins Innviertel antritt und ich mich auf den sehr sehr nassen Zustieg zur Adamekhütte vorbereite. Am Dachstein-Gipfel denke ich nocheinmal an die Nordwand, die mir ein weiteres verschmitztes Grinsen ins Gesicht zaubert.

Euch sollte nun ein Blick ins folgende Fotoalbum ein Grinsen ins Gesicht zaubern: