1.650 Höhenmeter,  16 Kilometer Wegstrecke

Schnee von gestern?

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Es ist in unseren Gefilden ein altbewährtes Bild: Der Dezember ist ins Land gezogen, die Weihnachtsmärkte füllen sich und der Konsumwahn, der ohnehin schon von Rastlosigkeit geplagten Menschen, erhöht sich um ein Vielfaches. Nur eines fehlt: Der Schnee. Hatte es der Winter letztes Jahr im Dezember noch einigermaßen gut gemeint und erlaubte schon in den ersten Tagen ein paar Schwünge im jungfräulichen Weiß, so lässt er sich heuer wieder bitten. Aber es ist , wie mit allen auftretenden Komplikationen und Problemen im Leben: Man muss das Beste daraus machen.
So brechen Hans und ich gegen Mittag auf um den schönen Tag noch für eine ausgedehnte Runde zu nutzen. Die Pyhrgasüberschreitung, die sich vom Kleinen Pyhrgas auf den Großen Pyrhgas in den Haller Mauern vollzieht, ist eine wunderbare Tour, die sich auch an einem Nachmittag noch gut bewerkstelligen lässt (vorausgesetzt man kennt den Weg und seine eigenen konditionellen Grenzen)

Wir starten schon beim Parkplatz Singerskogel in Oberweng oberhalb des Nebels und müssen erstmal die steilen Forststraßen zur beliebten Gowilalm hinter uns bringen.

Beim Anstieg zur Gowilalm die ersten Blicke zum Warscheneck (2.388m)

Der Himmel ist zwar weit nicht wolkenlos, aber immerhin treffen uns ein paar wohlig warme Sonnenstrahlen, die auch unser Gemüt erhellen. Wir passieren die geschlossene Alm und flitzen im Eilschritt dem Gipfel des Kleinen Pyhrgas entgegen. Dieser ist unschwer zu erreichen und der kleine Bruder der höchsten Erhebung der Haller Mauern lässt sich durch steil angelegte Weglein auch recht schnell aufs Haupte steigen.

Blick von der Gowilalm ins vernebelte Windischgarstener Becken
Über steil angelegte Wege, Wiesen und ein paar wenige Felsen erreicht man den Gipfel

Die wunderbaren Blicke, die sich auf die gesamte Kette der Haller Mauern ergeben, erinnern mich wieder an die Überschreitung eben dieser und zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht. Wir stehen um 14.00 Uhr auf dem Gipfel, lassen uns zu einigen Fotos und einer kurzen Flüssigkeitsaufnahme nieder und beginnen dann mit dem Übergang zum 2.244m hohen Großen Pyhrgas. Für Hans ist der erste Teil dieser Überschreitung noch Neuland und umso mehr freut es mich ihm heute diese Bergfahrt ans Herz legen zu können.

Am Gipfel des Kleinen Pyhrgas mit Blick zum großen Bruder

Wir erkennen zwar einige Schneereste in der Nordseite des Pyhrgas, glauben aber an keinen nennenswerten Kontakt. Vom Gipfel einige Meter abgestiegen, folgen wir den deutlich erkennbaren Trittspuren nach Westen. An der Ausstiegsrinne der Skitour durchs Eiskar vorbei, stehen wir auch schon an der Schlüsselstelle der gesamten Tour. Eine kurze knackige Stelle im II. Schwierigkeitsgrad will abgeklettert werden. Hans übernimmt die Vorhut und nach wenigen Minuten und einem relativ ausgesetzten Band später, stehen wir auf der anderen Seite und können im Gehgelände bis zur Scharte zwischen Scheiblingstein und Großem Pyhrgas die Weitblicke ins Gesäuse genießen.

Kurz nach der Abkletterstelle

Rückblick vom Grat aus. An der Schlüsselstelle klettert man kurz in die Südseite ab

Die Scharte ist wiederum flott erreicht und bei aufkommendem Wind und sinkenden Temperaturen nehmen wir uns den Ostgrat auf den Großen Pyhrgas vor. Hier muss man sich mit einem kurzen Quergang und einer anschließenden Rampe in der Nordseite anfreunden. Einige Schelme haben diese Stelle mit Punkten und Pfeilen markiert, sodass zwar der Weg auch für jeden Einfallspinsel zu finden ist, aber der alpine Flair ein Stück weit verloren geht. Steinmänner und Trittspuren in ausreichendem Umfang machen ein Verirren ohnehin schon schwieriger. Vor dieser Stelle hatten wir bei unseren Überlegungen noch die größte Ehrfurcht, hatten wir doch mit Schnee und Eis gerechnet. Ein kurzer vereister Quergang und ein paar Schneefelder am Anfang der Rampe lassen uns aber schnell durchatmen und so kann ich auch mit meinen Laufschuhen den weiteren Anstieg genießen.

Hans in der Rampe

Gleich nach diesem schönen Aufschwung folgen die einzigen nennenswerten Kletterstellen. Im II. Schwierigkeitsgrad geht es über kompakten Fels, für den die Haller Mauern nicht unbedingt bekannt sind, abwechslungsreich aber leider sehr kurz aufwärts. Nun offenbart sich der Blick zum Kreuz des Großen Pyhrgas, das mit Rauhreif überzogen auf uns herablacht. Eine lange Querung in den abschüssigen Wiesen des Ostgrats später, können wir auch die letzten Meter in teils vereistem Gelände absolvieren. Mein Stirnband verabschiedet sich dabei in die Nordabstürze des Großen Pyhrgas. Weil ich den Wert meines Lebens, hochnäsig und selbstüberheblich wie ich bin, auf mehr als 12 Euro einschätze, verzichte ich auf ein längeres Abklettern und überlasse meinen geliebten Ohrschutz dem Haller-Mauern König. “Ganz wie früher”, denke ich. Da hat man den Königshof auch nur mit milden Gaben im Gepäck betreten dürfen. Der traumhafte Blick zum Grimming und die untergehende Sonne reißt mich aber schnell wieder aus der Vergangenheit und lässt mich das tun, was wir Bergsteiger am Liebsten tun: Den Augenblick genießen.

In greifbarer Nähe: Der Große Pyhrgas
Blick ins Ennstal, rechts der “Grimma” (2.351m)

Wir stoßen auf die wunderbare Tour an und machen uns um kurz nach 16.00 Uhr wieder auf den Weg ins Tal. Weil Hans sich heute gefühlsmäßig nicht auf den Bauernhof begeben will und rohe Eier lieber der Henne überlasst, entscheiden wir uns gegen den vereisten Bad-Haller Steig und für einen Abstieg über den Westgrat und in weiterer Folge zur Holzeralm, wo wir für mich zusätzlich Neuland entdecken. Entdecken ja nicht wirklich, hat die Dunkelheit bereits die Stirnlampen obligatorisch gemacht. Gemütlich kehren wir den beleuchteten Bauernhäusern den Rücken zu und blicken ein letztes Mal hoch ins Holzerkar zu “unserem” Grat bevor wir gemeinsam mit Paul Mc Cartney und einer einfach tollen Weihnachtszeit wieder zurück nach Linz fahren.

Der Dachstein im letzten Abendlicht

Einige wenige Bilder habe ich noch in einem Fotoalbum für euch vorbereitet: