Der Neid ist ein Hund. Der macht zwar Schule, wird dabei aber nicht besonders gut abgerichtet.

Soziale Medien zeigen: Alle sind glücklich. Jeder hat den perfekten Job, wenig Verpflichtungen und viel Zeit für die Berge. Nur ich nicht. Ich arbeite.

Ein Blick auf den Bildschirm der Realität

Von Gabriel Egger

Montagmorgen, Büro. Zerlegt man die zwei Wörter in drei, braucht es den Blick auf die Wettervorhersage nicht. Montag, morgen Büro. Er ist wieder da, der unbequeme Alltag. Er kam nicht heimlich, wir haben ihn kommen gesehen. Und trotzdem hat er geschafft, einfach hereinzuplatzen, in den Moment der Glückseligkeit.

Ein freundliches “Morgen” zu den geplagten Kollegen auf dem Weg zum Sessel, den man Freitagnachmittag in eiliger Euphorie verlassen hat. Die Passworteingabe ist leise Einwilligung in die Regelmäßigkeit.

Browser, Lesezeichen, Facebook. Noch einmal kurz entspannen beim monotonen Scrollen über die bunte Startseite mit den Bildern und Wortmeldungen der Freunde, die die Woche mit demselben Hashtag im Herzen beginnen. #wanderlust

 

Was? Moment, ich dachte…



Aber, wie können die…? Sag mal..

“….wann arbeiten die eigentlich?”

Da wiehert ja der Amtsschimmel. Wo ist das dumpfe Licht des Großraumbüros, wo die hängenden Gesichter? Warum sitze nur ich hier über den Unterlagen, während da draußen offiziell die “Powderdays” ausgerufen werden?

Es beginnt ganz oben und zieht sich langsam durch den ganzen Körper. Die vielen Gedanken verstricken sich zu einem starken Gefühl, das die Finger auf die Tastatur leitet: Neid. Und die Spirale beginnt sich zu drehen.

Unzufriedenheit, Selbstmitleid, Neid 

Vorneweg: Die (meisten) Menschen arbeiten. Und falls nicht, werden sie es bald tun müssen. Ohne Geld, kein Held. Zumindest wird die Anreise ohne Benzin oder Fahrkarte beschwerlicher. Warum trotzdem wochentags Bilder von frischem Schnee, Sonnenauf-und untergängen, von Stunden im Fels und geselligen Abenden auf Hütten die Startseiten füllen, ist einfach erklärt, für viele aber schwer verständlich. Es reicht ein Wort: Flexibilität.Schichtarbeiter, Teilzeit-Jobber, Urlauber, Überstundenabbauer, Studenten, schwänzende Schüler, Profis und Halbprofis, Gesunde im Krankenstand, Lehrer in den Ferien. Sie alle können dasselbe wohlklingende Lied anstimmen. Irgendwer hat immer frei.

Und trotzdem: Unser Tag ist hinüber. Und wenn uns der Chef dann noch zu Zusatzaufgaben verdonnert, während wir mit feuchten Augen die Sehnsucht bekämpfen, beginnen wir den Krieg gegen uns selbst in der Kommentarleiste der anderen: “Sag mal, was arbeitest du eigentlich? Oder wann und wie lange?” Oder wir wissen es gleich besser: “Du arbeitest aber auch nix. Du hast ja dauernd frei.”

Wie sozial sind die Medien?

Dabei ist der Neid in den sozialen Medien ein anderer als der, den die Menschen meistens erfahren. Im persönlichen Kontakt beneiden Menschen andere vor allem um ihren persönlichen Erfolg: um ihre Fähigkeiten oder ihre Karriere. In den sozialen Medien herrscht dagegen eher Freizeit-Neid: Es geht um tolle Reisen, tagesfüllende Hobbys und – im geringeren Maß – um Abende mit Freunden. Und während beruflicher Neid im Alter wächst, weil ältere Leute weniger Chancen haben, ihre Karriere noch grundlegend zu verändern, hat das Alter auf den Social-Media-Neid fast keinen Einfluss.

Die Nutzer vergleichen sich unaufhörlich miteinander. Das Gefühl der Unzulänglichkeit des eigenen Lebens entsteht. Zu diesem Schluss kommen zumindest Wissenschaftler eines  dänischen Forschungsinstitutes. Facebook mache sogar unglücklich, der Verzicht nach einigen Wochen glücklicher. Aber sind wir daran nicht selbst schuld? Warum messen wir uns überhaupt, wenn wir mit niemandem in einem Wettkampf stehen? Wir vergessen im Moment des aufkommenden Neids, dass Facebook, Instagram und Co. Orte in einer schönen neuen Welt sind. Abgeschnitten von der Außenwelt. Alles ist schön, alles ist mega. Kein Leid, nur Freud. Aber mal ganz ehrlich: Wen interessieren schon Bilder aus dem Büro?

Geht es um den Bergsport, gibt’s dann meist “Kaiserwetter”, “perfekte Verhältnisse”  und “richtig geile” Touren. Das lesen wir- und es verzerrt unweigerlich unsere Wahrnehmung. Wir bemitleiden uns selbst, obwohl wir gar nicht wissen, welche Bürden die anderen außerhalb der heilen virtuellen Welt zu tragen haben. Schließlich geht es so weit, dass wir sie übertrumpfen wollen. Längere Wege, härtere Touren, schönere Fotos.

Zeitverschwendung

Aber es ist was es ist, und es steht da oben im Zwischentitel: Zeitverschwendung. Wer arbeitet, bei Familie und Freunden sein und sich dazwischen auch Ruhe gönnen will, hat nicht mehr viel Zeit übrig.  Wer dann auch noch unzufrieden mit sich selbst ist, gerät in das kummervolle Netz, das wir uns selbst gesponnen haben.
Ich mag die Fotos und die Informationen, die mich über die sozialen Medien erreichen. Ich freue mich, wenn den Freunden eine gute Tour gelingt, auch wenn ich nur über den Bildschirm zusehen kann. Aber auch mich packt oft der Neid. Und wenn das passiert, löse ich den Klammergriff und freue mich darauf, wenn ich bald wieder gefragt werde, wann ich eigentlich arbeite. Denn Glück ist noch immer Selbstgenügsamkeit.