Rinnenabenteuer im Toten Gebirge

Temlberg Ostrinne:
Anstieg: 1.800 Höhenmeter
Steilheit: bis zu 45°
Beste Jahreszeit: März-Mai
Datum: 22. März 2016

von Moritz Mayer

Der erste Blick auf dem Fenster lässt heute nichts Gutes erhoffen. Eine graue Wolkendecke verhüllt den  Himmel und Regen prasselt auf die Motorhaube meines Autos. Der Wetterbericht hat heute ausnahmsweise recht behalten und das prognostizierte Misch-Masch-Wetter tritt tatsächlich ein.
Die Scheibenwischer arbeiteten auf Hochtouren, während ich auf der Autobahn in Richtung Hinterstoder unterwegs bin. Das Gebirgsdorf schläft noch. Ein paar unentwegte Skifahrer machen sich für ein paar nasse Schwünge bereit.
Am Parkplatz Polsterlucke (625m) bin ich ,wie schon so oft in der Vergangenheit, der einzige Mensch, der hier heute das Auto parkt. Die Skier befestigte ich  am Rucksack bevor ich nochmal nach oben, auf den bewölkten, grauen Himmel blicke. Ein kurzes blaues Loch in der Wolkendecke lässt mich doch noch einmal kurz auf besseres Wetter hoffen.

Am Parkplatz-Polsterlucke geht es los
Kurz erspähe ich ein Wolkenloch am Himmel
Für die etwa zwei Kilometer lange Forststraße zur Materialseilbahn des Prielschutzhauses, hab ich mir heute etwas Besonderes einfallen lassen. Mein Mountainbike soll mir heute behilflich sein und mich bequem und vor allem rasch zum eigentlichen Beginn des Wanderweges bringen.
Heute geht es mit dem Rad zum eigentlichen Wanderweg
Mit meinen “bequemen” Skischuhen an den Füßen wandere ich wenig später den schmalen Wanderweg immer höher in Richtung Prielschutzhaus. Der Klinserfall führt heute besonders viel Wasser und etwas erschöpft erreiche ich auf etwa 1.000 Metern Gott sei Dank ein Bankerl wo ich kurz raste. Mittlerweile liegt schon Schnee am Weg und auch von oben rieselt bereits weißes Gold vom Himmel. Nicht unbedingt die besten Bedingungen für mein heutiges Vorhaben.
Die Spitzmauer (2.446m) versteckt sich noch hinter tiefhängenden Wolken
Der Öttlberg (1.342m) grüßt freundlich herüber
Die 45° steile Temlberg Ostrinne zu versuchen ist heute aber ohnehin eine eher  spontane Entscheidung. Als ich das Prielschutzhaus und somit die erste Teiletappe der heutigen Tour erreiche, weiß ich davon noch nichts.
Leise rieselt der Schnee am Prielschutzhaus (1.420m)
Als ich in die wohlig-warme Hüttenstube trete, begrüßt mich sofort ein alter Bekannter. Harry Höll, der Hüttenwirt des Prielschutzhauses sitzt gerade mit zwei Priel-Aspiranten beim Frühstück. Der Blick hinaus zum Fenster sorgt für eine stark ausgeprägte Gänsehaut auf meinem Oberschenkel, bevor ich mich dann doch wieder überwinde in die nebelige Schneelandschaft einzutauchen.
In der wohlig-warmen Stube des Prielschutzhauses
Erstaunlich wenig Schnee liegt bei der Hütte und ich entscheide mich noch weiter mit Skischuhen der Klinserschlucht entgegen zu laufen. Die geringe Schneedecke ist pickelhart und somit komme ich relativ schnell voran. Kurz vor der Abzweigung zum Priel-Klettersteig komme ich plötzlich zu stehen. Ich sehe nichts mehr. Nebel und dichter Schneefall machen mir die Orientierung heute wirklich schwer. Doch es hilft nichts. Ich kenne das Gelände hier ziemlich gut und steige über einen steilen, kraftraubenden Hang empor, bevor ich endlich die Ostausläufe des Brotfalls (2.360m) im Nebel erkenne. Nun weiß ich wieder wo ich hin muss. Der Beginn der Klinserschlucht ist nicht mehr weit entfernt.
Bis später altes Haus
Hervorragende Sicht im unteren Kühplan
Die Skier sind noch immer am Rücken
Dort muss ich wohl hinein
Auf etwa 1.700 Meter wird die Schneedecke wieder etwas weicher und der frische Neuschnee, der wohl über Nacht gefallen sein muss, erhöht die Anstrengung beim Vorankommen. Ich entschließe mich nun doch die Skier anzuschnallen und steige in zahlreichen Spitzkehren die gut 100 Höhenmeter in die Klinserschlucht hinein.
Kurz sieht man wieder ein bisschen mehr
Durch die Klinserschlucht zur Klinserscharte
Als ich dann endlich in der Klinserschlucht stehe, wird der Wind und der Schneefall etwas weniger. Die Sicht reicht nun bereits  bis zur Klinserscharte (1.850m) hinauf.
Vorbei an großen Felsen…
… und der Spitzmauer.
Bei gutem Wetter wäre nun der Temlberg (2.331m) mit seiner imposanten Ostrinne schon gut zu sehen. Heute sehe ich allerdings nichts, wirklich gar nichts. Erst als ich ein wenig später einige hunderte Meter weiter laufe, erkenne ich den Beginn der Ostrinne. Die restliche Ostrinne und der Gipfel des Temlberges sind allerdings noch immer in tiefe Wolken gehüllt.
Die Klinserscharte ist erreicht
Erst einige hundert Meter weiter erlaubt mir das Wetter einen kurzen Blick auf den Temlberg zu werfen
Nun wird es steil. In weitläufigen Spitzkehren steige ich in Richtung Ostrinne hoch. Manche Stellen sind hier wohl auch schon bis zu 40° steil. Die Sicht wird immer schlechter.  Die Bodenstruktur ist kaum noch erkennbar und es wird immer schwieriger auf den Skiern zu stehen. Kleine Unregelmäßigkeiten  sind selbst von nächster Nähe nicht mehr zu erkennen. Kurz zweifle ich an der heutigen Tour und überlege umzukehren.
Dort drinnen ist sie, die Ostrinne
Kurzer Lichtblick bei der Spitzmauer
Der Beginn der Ostrinne ist allerdings schon erreicht. Ich beschließe also durch die Ostrinne aufzusteigen, unter der Voraussetzung, dass ich bei zu schlechter Sicht am Ende der Rinne wieder abklettere, anstatt abzufahren und befestige meine Skier abermals am Rucksack. Die gut 250 Höhenmeter vom Beginn der Rinne bis zu deren Ende sind extrem anstrengend. Jeder Schritt ist eine Überwindung. Noch dazu kommt, dass über Nacht 15-20 Zentimeter Neuschnee in die Ostrinne gefallen waren und ich somit bei jedem Schritt tief in die Schneedecke einsank.
Die Ostrinne beginnt
Hier schon um die 45° steil
Schritt für Schritt
Ich erreiche  die Mitte der Rinne, wo sich eine kleine Engstelle befindet. Meine Skibrille ist angelaufen, mein Puls jenseits von 190 Schlägen. Der Gedanke an die wahrscheinlich sehr spektakuläre Abfahrt das einzige Trostpflaster momentan.
Frischer Pulverschnee macht mir das Leben schwer
Das Ende der Rinne ist endlich in Sicht. Der Spuk der Rinne hat endlich ein Ende und ich erreiche den schmalen Grat, der sich genau 30 Höhenmeter unter dem Gipfel des Temlberges befindet. Mit den Skischuhen schlage ich mir eine kleine Standfläche in den Schnee und beginne mich auf die Abfahrt vorzubereiten. Die Sicht ist wieder etwas besser  und ich kann vom Gipfel bis in die Klinserschlucht sehen. Die Chance auf eine Abfahrt lebt somit noch.
Skidepot am Ende der Rinne (2.300m)
Bald geht es hier bergab
Ostrinnen-Selfie
Auf den Gipfel verzichte ich heute. Zu gefährlich wäre mir der Kletteranstieg im II-III Klettergrad bei diesen Sichtverhältnissen. Ein Berg läuft ja bekanntlich nicht davon.
Der Gipfel wird heute in Ruhe gelassen
Die ersten Schwünge in der steilen Ostrinne sind etwas gewöhnungsbedürftig. So viel Pulverschnee in einer so steilen Rinne bin ich nun wirklich nicht gewöhnt. Nach ein paar weiteren Schwüngen beginne ich dann aber wirklich Spaß zu haben. Eine traumhafte Rinne mit super Pulver. Die Sicht wird auch bei jedem Schwung besser und die ersten Sonnenstrahlen erreichen die Spitzmauer und die Klinserschlucht.
Der steile Ritt kann beginnen
Super Schnee!
Schon etwas weiter unten
Schon bald ist der Fahrspaß in der Rinne dann aber auch wieder vorbei und ich erreiche die Ausfahrt. Kurz blicke ich zurück und juchze vor Freude. Mehr habe ich aus dem heutigen Tag wohl wirklich nicht rausholen können, denke ich mir während ich weiter in Richtung Klinserschlucht abfahre. Bei der Klinserscharte blicke ich das letzte Mal zum Temlberg zurück. Mittlerweile ist er bis auf den Gipfel schon frei von Wolken. Ein wirklich grandioser Berg.
Die Spitzmauer ist so gut wie frei
Auch der Temlberg löst sich nun von den Wolken
Ostrinne im Zoom
Der Temlberg im Toten Gebirge
Klinserscharte
Nach einer weiteren kurzen Tragepassage durch die Klinserschlucht und einigen schönen Schwüngen zurück zum Prielschutzhaus, trete ich erneut in die Hüttenstube ein und erzähle Hüttenwirt Harry bei einem Kaspressknödel-Suppe von meiner Tour. Anschließend laufe ich mit den Skiern am Rücken wieder zurück ins Tal.
Vorbei am Klinserkreuz geht es retour
Das Prielschutzhaus das nächste Ziel
Der kleine aber feine Ostrawitz hat es faustdick hinter den Felsen
Die mächtige Ostwand der Spitzmauer winkt zum Abschied
Per Rad geht es anschließend wieder retour zum Parkplatz
Eine Dreiviertelstunde später erreiche ich wieder mein Rad bei der Materialseilbahn und fahre zurück zum Parkplatz, während die mächtige Spitzmauer Ostwand mir eine gute Heimreise wünscht.

Weitere Bilder findet ihr wie immer hier: