Schnee kratzen statt Zucker löffeln. Das Jahr beginnt flexibel.


Von Moritz Mayer

01. Jänner 2017

Waldbrandgefahr in Kärnten und Tirol, apere Gletscher auf
weit über 3.000 Meter, ein typischer Winter in Österreich. Das Land der Berge
scheint nicht mehr das zu sein, was es einmal war. Skifahren funktioniert
heutzutage nur noch auf kleinen weißen Streifen die sich, umgeben von grünen
Bäumen und grauen Felsen ,die Berge hinabschlängeln.

Nicht anderes ist es im Stubaital. Das Jahr hat gerade erst
begonnen. Vor sechs Stunden haben die eigentlich verbotenen Feuerwerkskörper
den Himmel erleuchtet und das neue Jahr eingeläutet. Etwas müde aber doch
motiviert fahre ich von Innsbruck aus dem Stubaier Gletscher, genauer gesagt
der Talstation des Skigebietes, entgegen. Am Parkplatz auf 1.600 Meter Seehöhe
angekommen geht gerade die Sonne auf. Selbst hier auf Gipfelhöhe des
Traunsteins liegt kaum Schnee. Die Lifte haben noch nicht geöffnet. Lediglich ein paar Arbeiter der Seilbahn stehen bereits auf dem großen leeren Parkplatz.

Los gehts an der Talstation

 

Eigentlich soll es ja heute eine Skitour aufs Zuckerhütl werden, doch fürs Erste ist an Gehen mit Skiern einmal nicht zu denken. Also werden die Ski auf den Rucksack geschnallt und los geht die Stapferei. Während ich die ersten 500 Höhenmeter zur Dresdner-Hütte hinaufspure, beleuchten die ersten Sonnenstrahlen die umliegende Bergwelt. Ruderhofspitze und Nockwand beobachten mich auf den ersten 300 Höhenmetern.
Viel Eis, jedoch kein Schnee, Winter im Stubaital

 

Die Ruderhofspitze im Morgenlicht

 

Selbst auf den umliegenden 3.000ern ist kaum Schnee zu finden

Danach komme ich zu einer Kuppe. Ich überwinde diese und stehe quasi mitten im Skigebiet “Stubaier Gletscher”. Vor mir thront der Großteil der Stubaier Prominenz und schon fühle ich mich wohl im neuen Jahr 2017. Nun kann die Skitour auch endlich los gehen. An der Dresdner Hütte vorbei geht es erstmals eine steile dunkelrote (im Skifahrerjargon) Piste empor. Komischerweise wirken Pisten viel steiler wenn man sie von unten nach oben “fährt”.

Nach 500 Höhenmetern erreiche ich das Skigebiet

 

Um der Dresdner Hütte ist es noch ruhig

 

Up, up, up…

 

Ein Berg zieht wohl alle Blicke der Skifahrer auf sich. Die 3.333 Meter hohe Schaufelspitze steht quasi mitten im Skigebiet und beeindruckt durch seine markante Form. Es ist nun 9:15 Uhr und plötzlich passiert es. DIE SKIFAHRER KOMMEN!!!

Also schnell an den Pistenrand und hoffen, dass  gestern keiner zu tief ins Glas geschaut hat. Auf 2.600 Metern erreiche ich das Jungfrauenbödele. Jetzt dauert es nicht mehr lange bis ich endlich die Piste verlassen kann. Gott sei Dank, denn es kommen immer mehr Leute auf die Piste um den ersten Tag im Jahr 2017 zu genießen.

Langsam aber doch komme ich höher

 

Die umliegenden 3.000er mit Schrankogel und Ruderhofspitze

 

Ohne diese Freunde wär hier gar nichts los

Auf etwa 2.800 Metern ist es dann soweit. Endlich kann ich das Skigebiet verlassen und spure im frischen Neuschnee in Richtung Osten. Kurze Zeit später erreiche ich den Fernauferner. Komisch, keine Spuren zu erkennen und das obwohl noch vor wenigen Tagen einige Bekannte am Zuckerhütl waren.

Oben das Fernaujoch, ich verlasse die Piste nun in Richtung Osten (links)

Nichtsdestotrotz gehe ich weiter in Richtung “Lange Pfaffennieder”,  eine kleine Scharte die Fernauferner und Sulzenauferner von einander trennt. Rechts von mir macht der Apere Pfaff seinem Namen alle Ehre. Unzählige Gletscherspalten sind am Fuße seiner Nordwand zu erkennen. Eigentlich sollten diese um diese Zeit schon längst von einer dicken Schneeschicht verhüllt sein.

Der Fernauferner, die Scharte ist der “Lange Pfaffennieder”

 

Aperer Pfaff

Langsam komme ich dem “Langen Pfaffennieder” immer näher. Eine teilweise vom Schnee schon wieder verwehte Spur kann ich erkennen, dieser folge ich auch brav. 100 Höhenmeter unterhalb der Scharte heißt es dann Skier abschnallen. Hier ist es schlichtweg zu steil. Über eine etwa 60° steile Rinne stapfe ich die Scharte hinauf. Für die Steigeisen bin ich zu faul und somit ist es gar nicht so einfach die “Lange Pfaffennieder” zu erreichen.

Es wird steiler…

 

…und auch bald zu steil für Ski

Oben angekommen macht sich erstmal Ernüchterung breit. Ich sehe zwar das Zuckerhütl direkt vor mir, allerdings sieht der Abstieg auf den Sulzenauferner alles andere als leicht aus. Steile, mit Eis überzogene Wände, und unten am Ferner wartet ein steiler großer Gletscherabbruch mit Spalten und Seracs auf mich. Ich ärgere mich gewaltig über meine heutige nicht ausreichende Tourenplanung. Das wird wohl nichts.

Kurz suche ich noch nach einem besseren Weg über den Aperen Pfaff Nordgrat, doch alles vergebens. Die Verhältnisse und das sehr steile und ausgesetzte Gelände lassen dort heute nicht mehr zu. Mit dem Entschluss heute nicht mein Leben zu riskieren, schnalle ich wieder meine Skier an und fahre über sehr steiles Gelände zurück auf den Fernauferner.

Am “Langen Pfaffennieder” stehts an, hier der Nord-Grat zum Aperen Pfaff

 

Blick auf den Sulzenauferner

 

Oben würden theoretisch Wilder Pfaff (links) und das Zuckerhütl (rechts) warten

 

Hilft ned!











































“Was solls? Dann mach ich heute halt ein paar Höhenmeter”, denke ich mir als ich mich wieder etwas beruhigt habe. Mein nächstes Ziel soll somit die Bergstation der Fernau Sesselbahn am Fernaujoch sein. Zügig toure ich die gut 250 Höhenmeter hinauf und genieße oben für eine Weile die Aussicht.

Dann eben zum Fernaujoch

 

Die Schaufelspitze vom Fernaujoch aus gesehen

Nun geht es an die erste Abfahrt. Abfellen, Felle im Rucksack verstauen und los gehts! Die Pistenverhältnisse sind super und das Skifahren macht richtig Spaß. Während der kurzen Abfahrt beschließe ich zum Mittagessen kurz einen Abstecher zum Bergrestaurant “Eisgrat” zu machen. Also schnell wieder auffellen und nur noch einen kurzen Anstieg, dann gibt es endlich Mittagessen. Der einzige Vorteil bei einer Skitour im Skigebiet ist es, dass man die Infrastruktur nutzen kann und somit auch eine warme, frische Speise zur Mittagszeit genießen kann.

Am Bergrestaurant “Eisgrat” auf ein deftiges Schnitzel

Nach der Mahlzeit auf 2.800 Metern entscheide ich mich spontan der 3.333 Meter hohen Schaufelspitze einen Besuch abzustatten. Dieser Gipfel ist relativ einfach zu erreichen. Auf der Piste kann man problemlos bis zum Schaufeljoch auf 3.158 Meter hoch. Danach sind es nur noch 175 sehr steile Höhenmeter zum Gipfel. Gedacht, getan. Ich verlasse das Bergrestaurant und beginne mit dem Aufstieg zum Schaufeljoch. Die steile Piste hochzukommen ist gar nicht so einfach, immerhin habe ich doch jetzt schon einige Höhenmeter in den Beinen und auch die Höhe macht mir heute ein wenig zu schaffen.

Doch ein wenig was los am ersten Jänner, oben die Stubaier Wildspitze

 

Die steile Piste gehts nun hoch in Richtung Schaufeljoch

 

Doch imposant, die Schaufelspitze

 

Ich komme meinem Ziel näher

Nach einer halben Stunde erreiche ich das Schaufeljoch. Am Südhang der Schaufelspitze liegt wie überall wenig Schnee und viele Steine verunstalten das schöne Weiß. Endlich verlasse ich die Piste und toure im von der Sonne aufgeweichten Schnee weiter. Die Freude über das alpinere Ambiente wehrt allerdings nur kurz.

Die letzten 175 Höhenmeter zum Gipfel haben es nochmal in sich. Das extrem steile Gelände zwingt mich dazu die Skier abzuschnallen und auf den Rucksack zu geben. Jeder weitere Schritt im aufgeweichten Schnee ist extrem anstrengend und kraftraubend. Spuren von Vorgängern gibt es nicht wirklich. Das sind immer die Momente, in denen man kurz die Sinnhaftigkeit dieser Unternehmung in Frage stellt. Doch als ich eine weitere halbe Stunde später endlich am Gipfelkreuz ankomme, ist alles vergessen.

Die Schaufelspitze belohnt mich mit einer fantastischen Aussicht. Ein Gipfelmeer, das kaum schöner sein könnte. Nach dem schlechten Start der Tour doch noch ein versöhnliches Ende. Und ich konnte sogar noch einen neuen Gipfel besteigen. “Schaufelspitze”, klingt doch schon irgendwie ganz cool, oder nicht?

Gleich ist es geschafft

 

Unendliche Weitblicke

 

Blick in Richtung Osten

 

Noch einmal: Wilder Pfaff und Zuckerhütl

 

Blick in Richtung Westen sowie Südtirol

 

 

Noch ein letzter Blick runter ins Skigebiet bevor es an die Abfahrt geht

Nach der Gipfelrast gehe ich kurz über den schmalen Gipfelgrat zurück, ehe ich wieder die Ski anschnalle. Jetzt kommt der lustige Teil! Wenige Höhenmeter unter dem Gipfel entdecke ich eine schmale  45 Grad steile Rinne, in die ich sofort reinfahren muss. Der Schnee ist schwierig und schwer, dennoch macht die Abfahrt Spaß.

Überblick der Abfahrtsroute von der Schaufelspitze

Kurze Zeit später stehe ich dann auch schon wieder auf der Piste und carve dem Tal entgegen. Funktioniert gar nicht so schlecht, denke ich mir während sich die Kanten der Tourenski in den Schnee schneiden. Auf 2.300 Meter ist es dann leider vorbei. Schneeende am 01.01.17. Also die Ski wieder auf den Rücken und die letzten 500 Höhenmeter per pedes zurück zum Auto. Pünktlich um 16:00 Uhr stehe ich wieder am Parkplatz und trete ein wenig erschöpft die Heimreise an. Und ich musste nichtmal schneeschaufeln.