70 Kilometer Wegstrecke, 4.500 Höhenmeter



27. Bergmarathon “rund um den Traunsee”




36 Grad und es wird noch heißer, 36 Grad, kein Ventilator, das Leben kommt mir ganz schön hart vor

Von Gabriel Egger




Die Sonne brennt vom wolkenlosen Himmel und trocknet die Luft aus. Die Hitze ist förmlich zu greifen, so derartig drückt sie sich gegen alles, was sich bewegt. Gegen den Körper, aber auch gegen den Willen und gegen den Verstand. 36 Grad werden im Schatten gemessen. Der Sommer demonstriert Anfang Juli eindrucksvoll seine Macht. Der Stein ist aufgeheizt, die Pflanzen betteln nach ein bisschen Wasser und der Sonnenschirm wird  zum obligatorischen Hilfsmittel. 485 Menschen müssen bei diesen Bedingungen rund um den Traunsee laufen.Den Blick oft auf das kalte Nass gerichtet, ohne darin neue Energie sammeln zu dürfen. Doch das ist nicht Qual genug: Sie müssen über die umliegenden Berggipfel laufen. Rauf und wieder runter. 70 Kilometer lang. 4.500 Höhenmeter im Anstieg. Einige dürfen sich nach der Hälfte der Distanz ins Wasser fallen lassen und sich wieder Luft in die Lungen schnaufen. Was klingt wie neue rigorose Maßnahmen in einem amerikanischen Boot-Camp, ist der ganz normale Wahnsinn beim 27. Bergmaratahon “rund um den Traunsee”. Denn das Kuriose dabei ist: Sie alle machen das freiwillig.

Glühwürmer und andere Sportler

Wie ein Pfeil durchbohrt das schrille Läuten des Weckers das Gehirn. Kerzengerade sitzen wir im Bett und starrren in die Nacht. Es ist 01.30 Uhr und das laute Gröhlen der Gmundner Nachtschwärmer lenkt kurzzeitig von der enormen Nervosität ab. Der Tag X ist gekommen. Um 20.30 Uhr haben wir uns am Vorabend ins Bett gequält, geschlafen haben wir kaum. Und mit der Quälerei sollte es heute noch weiter gehen. Moritz überprüft ein letztes Mal seine Stecken, die Startnummer wird gut sichtbar auf den Bauch geheftet und die Stirnlampe prophylaktisch an den Kopf geklebt. Zu fest, sie drückt gegen die Stirn. Viele Gedanken kann der Druck nicht zerstören, sie kreisen ohnehin nur um den Start in wenigen Minuten. Die letzten Salztabletten greifbar in den Rucksack verstaut um schon mental für die heiße Überforderung gewappnet zu sein und schon verlassen wir unsere Pension neben dem Grünberg. “Eigentlich blöd” denke ich, “da müssen wir sowieso gleich wieder vorbeilaufen”. Wir sprechen nicht viel, die Musik aus unseren MP3- Playern trägt uns die wenigen Meter durch die dunkle Nacht zum Gmundner Rathausplatz.

Kurz vor dem Start, Foto: Renöckl

Das große Bergmarathon-Zelt ist schon wie am Vorabend bei der Startnummernausgabe gut gefüllt. Viele bekannte Gesichter sorgen für eine heimelige Atmosphäre. “¡Hola a todo el mundo!” ruft eine vertraute Stimme aus dem Hintergrund. Valencia-Veteran Robert Riesinger grüßt freundlich die Menge, die an einen aufgebrachten Ameisenhaufen erinnert. Viele geben alles für den letzten Feinschliff. Das große Krabbeln in der Stadt am Nordufer des Traunsees. 60 Jahre alt ist Robert geworden, dennoch ist der Traunstein-König nicht müde sich 70 Kilometer durch die Berge zu schlagen. Es zeigt sich schon jetzt, wieviele unterschiedliche Charaktere hier einer gemeinsamen Leidenschaft frönen.

“Noch 10 Minuten” ruft Organisator Harald Buchinger durch’s Mikrofon. Moritz und ich tauschen uns ein letztes Mal aus. So lange haben wir auf unsere Premiere bei “Europas schönstem Erlebnislauf” gewartet. Jetzt wo es soweit ist, werden wir doch keine kalten Füße bekommen. “Es ist 02.55 Uhr” ruft Buchinger und die Sportler rücken zusammen. Gleich geht’s los. Auch unser Matthias ist mittlerweile eingetroffen und ist trotz bescheidener Vorbereitung guter Dinge. Wenn es nach den Veranstaltern geht, soll es ohnehin nur um das einmalige Erlebnis gehen. Doch sag das mal den ambitionieren Sportlern, die sich hier für den Startschuss versammeln. Ein letztes Gruppenfoto mit lieben Freunden. Freunde sind wir nämlich heute alle.

Die Trail”meute”: v.l.n.r: Robert Riesinger, Moritz Mayer, Gabriel Egger, Alexander Steidl, Thomas Bosnjak, Daniela Karigl

Der Countdown läuft. 5. “Sitzt alles?” 4. “Viel Glück, mein Freund!”. 3. Der Blick erstarrt. 2. “Hab ich alles mit?” 1. “Egal, ohnehin zu spät” LOS!

Wie Glühwürmer bewegen sich die Sportler mit ihren Stirnlampen durch die Nacht. Mal einsam, mal gemeinsam. Moritz und ich werden uns bis Ebensee nicht mehr trennen. Genauso, wie wir uns das vorgestellt haben. Gleich zu Beginn schlägt der motivierte Kampfzwerg ein hohes Tempo an und läuft mir um einige Meter davon. Was wir noch nicht wissen: Wir starten viel zu schnell. Während wir uns lautlos durch die Nacht über den Ortnersteig auf den Grünberg schnaufen, dürfen wir weiter unterhalb einer dominanten Stimme lauschen: Robert Riesinger erzählt von seinen abenteuerlichen Reisen und unterhält die Läufer auf der Strecke bis zum Erstplatzierten. Von “Atemlos durch die Nacht” ist er weit entfernt. Die Temperaturen sind noch angenehm , das Wasser beruhigt nach 35 Minuten bei der erste Labe am Grünberg dennoch die trockene Kehle. “Gabriel, kommst du?” Moritz startet schon wieder die Forststraße Richtung Radmoos nach unten. Wir liegen im Spitzenfeld. Da dürften wir aber eigentlich gar nicht liegen.

Robert und Matthias beim Einstieg

Im Laufschritt geht es zuerst feine Serpentinen, dann die holprige Straße bergab. Viele faustgroße Steine zeigen sich erbarmungslos mit den Berglaufschuhen. Moritz liegt wieder vor mir, bergab ist er kaum zu bremsen. Ich schließe einstweilen zu Dominik auf, mit dem ich über vergangene Bergtage plaudere. Man darf sich das nicht wie einen Straßenmarathon vorstellen. Da will niemand mit dir sprechen. Ein Traillauf ist viel entspannter, man hilft und motiviert sich gegenseitig. Beim Gedenkstein am Fuße des Traunsteins angekommen, gibt es wieder einen Schluck Wasser, bevor es zu meinem “Liebling” geht. Auch die kohlenhydrathaltigen Tabletten zeigen ihre Wirkung. Es läuft hervorragend.
Beim Einstieg zum Naturfreundesteig auf den Traunstein liegen wir auf Platz sechs und sieben und hasten die Versicherungen nach oben. Gesprochen wird nicht mehr viel. Wir verständigen uns ausschließlich mit Blicken. “Hey, die Jungs von bergaufundbergab! Das is super, dass man euch mal trifft”. Kurz vor dem Naturfreundehaus drehe ich mich um. Günter Neuhuber aus Ebensee, der später auf Rang Zwei im Ziel eintrudeln sollte,hat uns eingeholt und erzählt von Wetterphänomenen und seinen, wie er es nennt, “Spaziergängen” in den Bergen. Ein wirklich sympathischer Kerl. “Ich krieg kaum Luft und der quatscht da über Touren mit seinem Hund” denke ich und beneide den langhaarigen und langatmigen Traunviertler.

Nach 2 Stunden und 20 Minuten stehen wir am Traunstein. 1 Becher Wasser. 2 Becher Wasser. 1 Becher mit isotonischem Getränk. Zuviel. Der Magen beginnt zu rebellieren, als wolle er sagen: “Du Volldepp, zuerst gibst du mir eine Stunde lang gar nichts und jetzt gleich einen Liter”. Kurz halte ich inne und beobachte die Sonne, wie sie sich langsam auf den Horizont schwindelt. Trotz der Anstrengungen ein erhabener Moment. Weiter geht’s.

“Gabriel, ich bin raus”

 

Am Daxner-Steig, Bild: Renöckl

Moritz kämpft mit dem Magen. Eigentlich kämpft er damit, alles was sich dort befindet, auch dort zu lassen. Nach kurzen ruhigen Minuten nimmt er wieder Fahrt auf. Und wie. Er schießt den Mairalmsteig bergab, ich versuche in Blickkontakt zu bleiben. Ein paar Mal lande ich am Hosenboden. Die Abschürfungen nehme ich als Andenken mit nach Hause. Nur 23 Minuten sind vergangen, dann stehe ich schon bei der Labe am Kaisertisch. “Sind nur vier vor euch” sagt die liebenswerte Betreuerin und reicht uns einen Becher Wasser. “Nur vier sind vor uns. Das kann nicht gut gehen” denke ich. Auch mein guter Freund sieht mich etwas ratlos an. Egal, Tempo rausnehmen und bis Karbach Kraft sammeln. Über die Forststraße versuchen wir einige Meter zu gehen. Das klappt nicht lange, zu motiviert sind wir. Wir unterhalten uns lange und intensiv, versuchen uns gegenseitig von den Magenproblemen abzulenken. Während sich mein Bauch langsam beruhigt, wird es bei Moritz immer schlimmer. Mit Flüssigkeit und Elektrolyten versucht er in Karbach dagegen anzukämpfen, denn jetzt kommt er, der Weg des Verderbens. Das Hauptkriterium neben dem Feuerkogel. Das unbeliebte schwarze Schaf. Der Daxner-Steig auf den Spitzelstein. Steil, unrhythmisch, schrofig, nervenaufreibend. Der Zustieg erfolgt über schöne enge Pfade, ausgesetzt direkt überhalb des Sees. Dann geht es in unnachahmlicher Manier über extrem steile Waldwege nach oben, bevor Seilversicherungen das Ende der Tortur ankündigen.

Oben angekommen sind wir völlig außer Puste. Nun folgt ein kurzer “Downhill” zur Labe bei der Spitzelsteinalm. Die Beine beruhigen sich wieder. “Hey, guat seid’s drauf”. Thomas “B’jak” Bosnjak sitzt auf der hölzernen Bank nebst der Versorgungsstelle. “Was ist los?” frage ich ungläubig. “Mein Magen spielt verrückt. Ich wander nach Ebensee. War trotzdem schön” lacht der Favorit. Auch ihn hat’s erwischt, was ihn allerdings nicht wirklich zu stören scheint. “Viel Glück” ruft er uns noch zu, als wir wieder im Eiltempo an den schottischen Hochlandrindern vorbei die steilen Serpentinen nach unten laufen.

“Hey, Gabriel. Ich bin raus”. Schock. Stille. 150 Höhenmeter unterhalb der Spitzelsteinalm geht es für Moritz nicht mehr weiter. Zu heftig sind die Schmerzen. Ich weiß, wie schlimm das für ihn sein muss. Er hat sich so auf diesen Marathon gefreut und war in absoluter Topform. Und jetzt das.  Er wünscht mir noch das Allerbeste und schon tauche ich in den Wald ein. Meine Gedanken sind bei ihm, als ich die letzten Meter bergab nach Rindbach laufe. Irgendwie hoffe ich doch noch, dass er es nocheinmal versucht. Aber ich weiß, dass es so besser ist. Die Sonne brennt bereits erbarmungslos vom Himmel, als ich den Asphalt betrete. Wenige Kilometer trennen mich von meiner Familie, die in Ebensee auf mich wartet.

Nur noch 33 Kilometer

 

Ankunft in Ebensee

Ich komme nach 4 Stunden und 53 Minuten in Ebensee an. Immer noch unter den ersten Zehn. Immer noch zu schnell. “Nur noch 33 Kilometer” steht da auf einem Schild. Wie lustig. Bekannte Gesichter motivieren mich. Meine Freunde sprechen mir Mut zu. Überhaupt ist die Unterstützung großartig. Ich fühle mich wie in einer ganz großen Familie.Gut umsorgt und aufgehoben.  Ich bleibe zehn Minuten lang stehen, fülle Wasser nach, erhole mich. Dann geht es wieder auf die Strecke. Der Feuerkogel steht an. Nocheinmal fast 1200 Höhenmeter. Mittlerweile hat es 30 Grad.

Auch Moritz kommt in Ebensee an.

 


“Ich muss total behämmert sein,
ich glaub’ ich hab mich gerade bewegt.

 

 Es ist zu heiß

 es ist zu heiß für den Straßenkampf,
zu heiß, weil die Straße dampft.”

Weil auch der Startschuss für den Halbmarathon nach Gmunden gerade ertönt , bin ich in guter Gesellschaft. Über unzählige Stufen geht es auf den Kalvarienberg. Der erste Krampf kündigt sich an, ich ignoriere ihn vorerst. Später helfe ich mit Magnesium nach. Ich habe Glück, alles bleibt, wo es sein soll. Auch am Europaweg auf den Feuerkogel staut sich bereits die Hitze, obwohl der fast zur Gänze im Schatten liegt. Ich fühle mich wie ein Baby, das an seinem Flascherl nuckelt. Die Gedanken verschwimmen, irgendwie ist nichts mehr klar. Nichts mehr vorhanden. Außer dem unbändigen Willen diesen Bergmarathon zu finishen und auf eine geglückte Premiere zurückblicken zu können. Ich beiße nocheinmal die Zähne zusammen und steigere mein Tempo. Dann komme ich auf die Skipiste und bin der Sonne ausgeliefert. In diesem Moment wäre mir der Winter lieber. Ich denke an Schneeflocken, an kaltes, klares Wasser und an Eiskugeln in zehn verschiedenen Farben,. Bis mich eine Bergkiefer mitten ins Gesicht trifft und ich wieder in der verschwitzten Gegenwart lande. Träumen kann so schön sein.

Die  “Sixe’s” haben am Feuerkogel noch gut lachen, Foto: Sportograf

 

Barfußläufer Stadlmayr, Foto: Sportograf

Der Feuerkogel ist geschafft. Ich fülle meine Trinkblase auf und entleere meine eigene. Nocheinmal geht es über steile Forststraßen bergauf zur Kontrollstelle, bevor es in die “Kreh” hinuntergeht. Ich laufe wieder. Über Stock und Stein, vorbei an zahlreichen netten Menschen, an Latschen streifend und schließlich auch Barfußläufer August Stadlmayer überholend. Kurz unterhalte ich mich mit ihm, frage ihn wie es ihm gehe, so ganz ohne Schuhe. Wieder ein schöner Moment, der mich motiviert. Es wird immer heißer. Abwechselnd höre ich Musik und unterhalte mich mit Gleichgesinnten. Gegen jegliche Vernunft bin ich überglücklich hier laufen zu dürfen. Zwischen totaler mentaler Zerstörung und Euphorie, die mir die Tränen in die Augen drückt, laufe ich in an der Labestation ein und schütte mir einen Kübel Wasser über den Kopf. Erleichterung. Mittlerweile will ich einfach nur mehr ins Ziel kommen. Die Zeit ist Nebensache. Jetzt steht tatsächlich das Erlebnis im Vordergrund. Ob man für diese Erkenntnis wirklich 70 Kilometer über die Berge laufen muss, sei dahingestellt. Und es geht gleich wieder weiter. Auf die Hochsteinalm rauf. Hier fühle ich mich wieder wohl. Steil, aber sehr schattig und relativ kühl. Eine Halbmarathon-Starterin gibt das Tempo vor, ich hänge mich dran. Das klappt wunderbar. Ich weiß nicht, was ich ohne sie getan hätte. Die gegenseitige Hilfe ist weiterhin oberstes Gebot. Ich laufe Richtung Mühlbachberg. Der Gedanke Moritz und meine Freunde wiederzusehen motiviert mich auch hier, ohne Pause durchzulaufen. Währendessen kämpfen Jürgen Nini, Günter Neuhuber und Harald Weber um das Stockerl. Moritz läuft mit mir zur Labe, ich kann mir endlich wieder Wasser ins Gesicht schütten. Die Hitze hat das erträgliche Maß längst überschritten.

Schuhwechsel bei Harald Weber

 

Abkühlung 
bergaufundbergab beratschlagt sich

 

Und es muss weitergehen

Nur mehr zwei Anstiege: Grasberg und Gmundnerberg. Dann ist es geschafft. Es klingt alles so einfach, aber gerade jetzt wird alles noch viel viel schwieriger. Durch mein hohes Tempo zu Beginn  und meine nicht vorhandene Erfahrung auf solch langen Strecken kommt der große Einbruch. Nicht der in ein Haus, um mich in die kühle Badewanne zu legen. Auch mit diesen Gedanken spielt man. Nein, ich fühle mich, als würde ich einen Amboss hinter mir her schleifen. In meinem Kopf bin ich plötzlich in einem amerikanischen Gefängnis im Hochsicherheitstrakt und muss Steine schleppen. Die Fantasie geht mit mir durch. Der Blödsinn lenkt ab. Viele flache Asphaltpassagen kann ich nur mehr gehend bewältigen. Was dann kommt, übersteigt in zweierlei Maß meine Vorstellungen. Zuerst bin ich dazu verdonnert bei 36 Grad eine unfassbar steile Asphaltsteigung auf den Grasberg hinauf zu traben. Meinem schlimmsten Feind würde ich hierbei einen Sonnenschirm schenken und ihm oben ein Glas Wasser reichen. Dann sind es schließlich die Menschen an der Strecke, die mich staunen lassen. Völlig unbeteiligt und nicht dazu verpflichtet, verschenken sie Wasser, holen den Gartenschlauch hervor um die Läufer abzukühlen und bringen sogar Essen aus der Küche. Mhm Essen. Ach, schnell weg mit diesen Gedanken.  Eine Menschlichkeit, die mich gerade unter dieser großen Belastung rührt.

Eine gefühlte Ewigkeit geht es auf den Grasberg, bevor sich der Gmundnerberg auch nicht unbedingt als guter Freund entpuppt. Eher als unbeliebter Chef, der wiedermal seine Machtposition unterstreichen will.

“Das kann ja nur einer sein”. Ein weiteres Mal überholt mich ein bekanntes Gesicht. David Lilek, Ultraläufer aus dem Osten, haucht mir mit einem kurzen Gespräch wieder Motivation ein, bevor ich nur mehr seinen Allerwertesten davondonnern sehe. Was würde ich geben, jetzt noch so laufen zu können.  Ich schalte die Musik nun ganz ab und spreche mit jedem, der noch Luft dazu hat. Auch mit den Sträuchern. Am Gmundnerberg angekommen, spritzt mich ein kleiner Bub mit dem Gartenschlauch ab. Ich war noch nie so froh über einen Lausbubenstreich. Noch 6 Kilometer. Wahnsinn, ich schaff das wirklich. Günter Neuhuber gibt währendessen schon im Ziel Interviews. Eine Minute nach dem fantastischen Jürgen Nini und kurz vor Dominic Schuller hat er die Gesamtstrecke bewältigt. Ein Phönix aus der Asche.

“Ich geh gern schnell spazieren” Neuhuber bleibt auch im Ziel bescheiden.

Auch vom Gmundnerberg komme ich noch relativ schnell bergab. Dann ist der Ofen aus. Nicht der, in dem sich heute das Salzkammergut befindet, der heizt brav weiter ein. Ich bin mit meinen Kräften fast am Ende. Auch hier sind wieder viele Bewohner der umliegenden Häuser auf der Strecke und versorgen mich mit Wasser und reden mir gut zu. “Komm schon, noch einen Kilometer. Du bist super, du schaffst das”.Das ist Musik in meinen Ohren. Und tatsächlich, die Gmundner Esplanade taucht auf. Es ist das Ziel einer langen Reise. Es scheint alles auf mich gewartet zu haben.Die Bäume scheinen Spalier zu stehen. Ich bin in einem Rausch. Es ist das schönste Glücksgefühl, das ich seit langem erleben darf. Moritz klatscht und lächelt mir zu. Er freut sich wahrhaftig für mich, sein Sportsgeist beflügelt mich. Nur noch wenige Meter. Die Leute jubeln. Ich juble in Gedanken selbst. 10 Stunden und 16 Minuten sind seit meinem Start vergangen. Jetzt bin ich wieder hier und dennoch bin ich nicht derselbe. Was man auf dieser Strecke erlebt, wie man sich selbst kennenlernt, verflucht, lobt, sich in die Gegend verliebt, Freunde findet, sei es auch nur für den nächsten Kilometer und wie der Wille über den Körper triumphiert, das ist wahrlich einmalig. Ich habe das Salzkammergut immer geliebt, jetzt liebe ich es noch mehr.

Zieleinlauf

 

Geschafft!
Nachbesprechung, rechts Sieger Jürgen Nini

Robert, nun Träger des goldenen Leibchens, finished seinen zehnten Traunsee-Bergmarathon in 11 Stunden und 53 Minuten, Matthias kommt in tollen 12 Stunden und 48 Minuten ins Ziel. Ich umarme beide, sie können wahnsinnig stolz auf sich sein. Jeder der am heutigen Tag die Ziellinie übertritt ist ein Held. Aber auch die, die  es nicht ganz geschafft haben, sind nicht minder großartig. Eine tolle Veranstaltung, bei der Freud und Leid so nahe beieinander liegen. Die Kunst ist es auf dem schmalen Grat zu tänzeln, ohne zu fallen. Der kleine Wehrmutstropfen wird nächstes Jahr auch nur mehr ein Tropfen auf den heißen Stein sein, wenn dann mein junger Freund und Motivator seinen ersten Bergmarathon “rund um den Traunsee” finished. Vorausgesetzt der ist dann nicht schon wieder ausgebucht….:)

GRATULATION AN ALLE TEILNEHMER!!!


Informationen und Ergebnisse auf www.bergmarathon.at

Mehr Bilder (zur freien Entnahme) im Fotoalbum. Wer trainieren möchte, kann sich ja den GPS-Track runterladen 😉