1. Prielschutzhaus-Skyrace


17. Oktober 2015 


4,7 Kilometer Wegstrecke, 800 Höhenmeter

60 ausdauernde Artisten verwandelten das Stodertal in eine Manege.

Von Gabriel Egger
 
 
 
Vor dem Polsterstüberl in Hinterstoder staut es sich. Der Artisteneingang wird belagert von Menschen in engen Hosen, bunten Leibchen und ausgefallenem Schuhwerk. Trotz des aufkommenden Gelächters und der freudigen Gesichter, sind es nicht die Clowns, die darauf warten in die Manege zu gelangen. Zum dummen August kann man sich immer noch beim darauffolgenden Hüttenabend machen, jetzt werden die Beine lang und der Atem kurz. Beinahe zehn Jahre hat man  warten müssen, bis der Berglauf-Zirkus seine Zelte wieder bei der Polsterlucke aufschlägt.  Die Ränge des Amphitheaters sind seit Jahrtausenden besetzt. Auf der linken Tribüne hat der Ostrawitz Platz genommen, ist mit seinen latschenbewachsenen Hängen die letzte Bastion der Flora, bevor es zunehmend rauer wird. Um den besten Sitzplatz gibt es keine Diskussion. Die Spitzmauer, elegante Felsdame, und der Große Priel, Schirmherr des Toten Gebirges, teilen ihn sich geschwisterlich. Auf der rechten Seite lässt sich der einst wild umkletterte Öttlberg keine Vorstellung entgehen.

Alte Hasen, junge Hühner, starke Bären und lange Giraffen sind die Hauptdarsteller. 60 sind es an der Zahl. Alle bereit loszulegen. 4,7 Kilometer und 800 Höhenmeter hoch zum Prielschutzhaus. Johanna Retschitzegger gibt ihnen Startnummern und die letzten Anweisungen. Sie ist heute die Dompteurin. Auch wir haben uns in der “Luck’n” eingefunden, die heute zur Höhle des Löwen wird. Der Weg ist uns nicht fremd, das Prielschutzhaus im heurigen Jahr zu einer Art alpinem Wohnzimmer geworden. Bekannte Gesichter erheitern die Stimmung zusätzlich.
Neben einheimischen Liebhabern der Vertikale haben sich auch weitgereiste Sportler eingefunden. Andreas Tockner ist einer von ihnen. Vor wenigen Tagen konnte er mit dem Sieg beim Schneeberg-Trail seine Form unter Beweis stellen und macht auch am heutigen Tage keinen Hehl aus seinen Erfolgsambitionen. Doch dem Salomon-Running-Team, dem Tockner angehört, stellt sich heute eine andere, köstlich klingende Mannschaft in den Weg: Das Gowilalm Racing-Team will heute in Person des 21-jährigen Daniel Neudeck aber keine Geschenke verteilen und das größte Stück vom Kuchen ausnahmsweise selbst verspeisen.Das  Absperrband weht im kalten Herbstwind und ersetzt mit rot-weiß-roter Eleganz die Klänge der Bundeshymne. Es hält die Läufer noch im Zaum. 3.2.1 Los. Das Schaulaufen der wilden Tiere kann beginnen. Der Startschuss fällt und sofort entwickelt sich an der Spitze ein Kopf-an-Kopf- Rennen. Von hinten kann ich das ganz besonders gut beobachten, denn mit den vorderen Rängen habe ich schon beim flachen Anfangsstück Berührungsängste. Mit einer Pace (Läuferjargon, Kehrwert der Geschwindigkeit) von 03:51 laufen Moritz, der mit 19 Jahren gemeinsam mit Alexander Neundlinger den Part der jungen Hühner übernimmt,  und ich der Materialseilbahn entgegen.

Start beim Polsterstüberl

Wir wissen, dass uns die steilen Passagen des Wanderweges mehr liegen und steigern unser Tempo erst kurz vor dem Klinserfall, den wir heute gar nicht wahrnehmen. Die 31 Kilometer vom Vortag in Berchtesgaden melden sich in den Waden brennend und stechend zu Wort und erschweren, wie eine stählerne Fußfessel, den Anstieg. Auf 1.000 Metern gebietet die Höflichkeit nicht nur das “Du-Wort”,  sondern auch eine noch intensivere Hilfsbereitschaft. Darum lassen wir Irmi Kubicka freundlich passieren, die höchstmotiviert davonhoppelt. Ein alter Hase mit jungen Beinen lässt uns  zu Igeln werden.

Kubicka allein auf weiter Flur 
Es geht steil bergauf

Nach dem Gott-Sei-Dank-Bankerl auf 1080 Meter haben wir unseren Rhythmus noch immer nicht ganz gefunden, auch wenn die Labe  die trockenen Kehlen befeuchtet. Trotz des engen Wanderweges stehen einige Menschen an der Strecke, schreien, motivieren, animieren die Läufer in  einen höheren Gang zu schalten. Die kalten Temperaturen der letzten Tage machen sich erst beim finalen Anstieg über die Märchenwiese bemerkbar. Schnee schießt wie Kanonenkugeln von den Bäumen und kühlt die heißen Gemüter ab. 220 Höhenmeter sind es noch bis zur rettenden Terrasse. Seit 36 Minuten laufen wir dieser  entgegen. Zwei Minuten später sind Andreas Tockner und Daniel Neudeck schon im Ziel. Am Ende trennen die beiden Favoriten nur 26 Sekunden. Die letzten Meter haben  fast etwas Heiliges. Wie eine himmlische Erscheinung bricht die Sonne durch die dichte Nebeldecke und  gibt den Blick auf die Spitzmauer frei, die  extra für die Läufer in ein modisches weißes Kleid geschlüpft ist.  Das Keuchen der Sportler wirkt dazu fast schon störend.

Die Spitzmauer im Winterkleid

Hüttenwirt und Hobbypaparazzo Harry Höll hat sich mit seiner Kamera auf die Lauer gelegt und hält die erlösenden Augenblicke des Zieleinlaufes fest. Mit einem kurzen Schlusssprint beende ich das Rennen gen Himmel in einer Zeit von 45:27 und lasse mich auf die Hüttenbank fallen.

Auf der Suche nach den besten Schnappschüssen: Hüttenwirt Harry Höll

Die Sonne wärmt die Glieder, während sich die Lunge in Manier eines Kettenrauchers über die Belastung beschwert. Es folgen Austausch, Gelächter und der hüttennahe Bloßkogel. Dort scheint nämlich unentwegt die Sonne vom strahlend blauen Himmel, während sich das Prielschutzhaus immer wieder einhüllt.

Am Bloßkogel ist die Welt wieder in Ordnung

Die Siegerehrung ist lange und innovativ. Nicht nur die drei besten Männer und Frauen bekommen einen Preis, sondern auch derjenige, der die Durchschnittszeit erlaufen hat. Zahlreiche weitere Preise werden unter allen Teilnehmern verlost. Damit darf das Prielschutzhaus-Skyrace im kommenden Jahr getrost mit dem Slogan: “Der Letzte kann der Erste sein” werben. Statt  Metallsalat gibt es riesige Mohnflesserl, Brioche-Medaillen und eine Menge sinnvoller Gutscheine. Nicht nur eine Werbung für das Skyrace, sondern auch für die Region. Pyhrn-Priel hat viel mehr zu bieten, als haarsträubende Diskussionen über eine Skischaukel. Zum Beispiel einen Sonnenuntergang am Bloßkogel, einen Hüttenabend im Prielschutzhaus oder die unendlichen Weiten des Toten Gebirges. Jetzt ist zumindest die Gemeinde Hinterstoder um eine wertvolle Veranstaltung reicher: das Skyrace hinauf zu den Bergen, die am oberösterreichischen Himmel kratzen. Vielleicht bediene ich mich dann bei der zweiten Auflage dem Erfolgsrezept von Daniel Neudeck: völlig durchlöcherte und aufgerissene Laufschuhe. “Dass a bisserl a Luft dazu kommt”. 

Wir gratulieren allen Teilnehmern recht herzlich!

So schauen Sieger aus: Neudeck und Egelseder (2.), Tockner und Kubicka (1.),  Mandlbauer, Schuller und Heigl (3.) (v.l.n.r)
Organisatorin Retschitzegger mit einem der verlosten Preise


Sonnenuntergang am Bloßkogel

 

Die Top “31” des ersten PSH-Skyrace

Weitere Informationen, Fotos und Ergebnisliste hier : Prielschutzhaus-Skyrace
Die Geschichte des Berglaufs am Priel könnt ihr hier nachlesen: Einmal musst du zum Priel!