2. Top Sport Öhner Kürnbergtrail

26 Kilometer Wegstrecke, 1.050 Höhenmeter

Platz 12 (AK 2.) Moritz Mayer: 02:16:08
Platz 13 (AK 3.) Gabriel Egger: 02:16:08:11

Mächtige Sümpfe, erhabene Augenblicke und starke Charaktere. Die Kelten wären stolz gewesen

Text von Gabriel Egger 
Bilder von Michael Pühringer

526 Meter hoch, dicht bewaldet, leicht erreichbar über breite
Forststraßen und ein direkter Blick zu den Einkaufsmetropolen der
Vorstadt. Die Besteigung des Kürnbergs im Westen von Linz mutet nicht
sonderlich alpin an. Der Spielplatz am Fuße der Waldhänge verleiht dem
Massiv, zu dem auch noch die Vorzeigehügel Schlossberg, Freinberg,
Froschberg und Römerberg gehören, eine familäre Note. Die vielen
Ausflügler, die sich Tag für Tag im Naherholungsgebiet tummeln,
bestätigen das. Neben dem Bellen der Hunde und dem Quengeln des
wandergeplagten Nachwuchses, ist dann auch oft ein monotones Klappern zu
vernehmen. Einmal laut, dann wieder leiser. Schallendes Gelächter
verhallt zwischen den Baumwipfeln, wenn Michael Schmolmüller und seine
Lauffreunde über die sanften Weglein jagen.

Fleißig in der Ideenschmiede: Michael Schmolmüller (r.)

Der Geschäftsführer von Top Sport Öhner
fühlt sich geborgen in der Natur, rund um die Landeshauptstadt. Wöchentlich lässt er sich
vom Kürnbergwald aus dem hektischen Verkaufstalltag reißen. Besonders
im Herbst, wenn die Sonne sich ihren Weg durch das Geäst sucht und das
Laub in goldgelben Farben glänzt, ist ein Lauf auf dem Perlgneis für den
44-Jährigen ein besonderes Erlebnis. “Die Idee für die Veranstaltung ist mir tatsächlich beim Laufen gekommen” erzählt er. “Weil er nicht eine, nicht zwei, sondern unzählige Möglichkeiten bietet”. Überraschend
groß ist er wirklich, der Wald im Stadtteil Leonding. Kann man sich
beim ersten Blick noch nicht einmal vorstellen, mehr als fünf Kilometer
darin absolvieren zu können, sprechen die Waden nach dem zwanzigsten
Kilometer eine andere Sprache. Angestrengt und ausgelaugt klingt diese
Stimme dann, aber auch freudig aufgeregt.

Ein ernstzunehmender
Trailbewerb direkt vor der Haustüre, ohne den Gelenken die Qual eines
Asphaltlaufes zumuten zu müssen, war bislang für viele naturverbundene
Linzer ein im Stillen gehegter Wunschtraum- bis im Herbst 2014 motivierte Hobbyläufer die Fiktion zur Wirklichkeit werden ließen und den traditionellen “Kutsam-Gedächtnislauf” um eine Facette reicher machten. 26 Kilometer, mehr als 1.000 Höhenmeter, sechs teils anspruchsvolle Anstiege hoch über der Donau, drei Labstellen, Wald, Wiese und 59 Laufbegeisterte: das Rezept für eine gelungene Sportveranstaltung. Heuer wird die wichtigste Zutat verdoppelt: 120 Teilnehmer stellen sich der Herausforderung

Wie Pferde, nur schmutziger

Zuversichtlich: Johanna Simmer

Eiskalter Wind pfeift Johanna durchs Haar. Er treibt die Wolken über den Kürnberg und lässt die zaghaften Versuche der Sonne scheitern. Die warmen Temperaturen streiken, die Füße nicht. Sie werden zur Sicherheit trotzdem nocheinmal aus dem Ruhezustand geholt. Die Aufwärmrunde macht heute ihrem Namen alle Ehre. Die Schritte sind klein, das Laub raschelt unter ihnen. Der Regen der letzten Nacht hat den Boden aufgeschwemmt. Die Geräusche erinnern an das Durchwaten eines Sumpfes. Johanna weiß um die schwierigen Verhältnisse. Sie zählt auch heute wieder zum weiblichen Favoritenkreis. Die Almtalerin hat eine lange Saison hinter sich, mit vielen Hochs und weniger Tiefs. Der Kürnbergtrail könnte sie gleich zwei Mal aufs Stockerl steigen lassen, denn auch in dem von Laufguru Thomas Bosnjak initiierten Trailrunningcup ist sie auf Tuchfühlung mit der Spitze.

Robert Gruber (r.) in der Favoritenrolle
Der Startbereich ist gut gefüllt. Farbenfrohe Jacken, fröhliche Gesichter und modernes Schuhwerk säumen den Weg. Während die einen mit erbitterndem Ehrgeiz am letzten Feinschliff arbeiten, trainieren andere nur ihre Stimmbänder. Auch Vorjahressieger Robert Gruber hat das Ufer gewechselt. Von der Salzach ist er ein weiteres Mal an die Donau gereist, um sich die bewaldete Krone aufzusetzen. “Er wird schwer zu knacken sein, da müsste schon irgendwas Gravierendes passieren” analysiert auch Renninstruktor Schmolmüller kurz vor dem Startschuss.

 

 Dick kann es für den Favoriten nur kommen, wenn Demeter einen perfekten Tag erwischt. Demeter Dick, Vize-Wald-König des vergangenen Jahres, will sein Heimatrevier verteidigen. Markiert hat er es bei Trainingseinheiten in den letzten Wochen zur Genüge.
Die Gedanken bei der Startlinie kreisen nicht wirklich um den Lauf. Ich denke an die vielen Wanderungen, zu denen mich meine Eltern genötigt haben. Finster und kalt ist der Wald in der Erinnerung. Die Tränen sind längst getrocknet. Wegen besonders schöner Keltensteine haben sie mich hochgeschleift. Steine, die ich nie zu Gesicht bekommen habe. Mächtig, erhaben, stark: so die indogermanische Übersetzung des Kelten-Begriffs. Der Kreis schließt sich nach tausenden Jahren wieder. Auch die Sportler müssen diese Eigenschaften heute verinnerlichen.
Erster Verfolger: Dick Demeter
Der Startschuss fällt und Moritz und ich laufen gemächlich die flachen Waldwege entlang. Vor uns beginnt schon jetzt das Kräftemessen.120 Teilnehmer suhlen sich im Schlamm. Nach einigen Minuten ist der Vergleich mit den schweinischen Paarhufern bereits angebracht.
Musik begleitet mich die ersten Meter, bringt das Adrenalin noch ein bisschen zum Kochen, bevor es die Gewohnheit verdampfen lässt. Dann geht es auch schon bergab. Wie Pfeilspitzen bohren sich die Schuhe in den Dreck. In Manier eines Seiltänzers versuche ich das Gleichgewicht zu halten, zwischen dichtem Geäst, Matsch und Übereifer. Über den Steinbruchweg laufen wir der ersten Labestelle entgegen. Das Feld löst sich rasch auf und mit Irmi Kubicka sitzt mir auch schon eine alte Bekannte, wie die Faust im Nacken. Die lebensfrohe Mühlviertlerin lässt meinen inneren Tacho in die Höhe schnellen und ich hebe ich im steilen Gelände ab, wo ich der kurzen Asphaltstraße “Im Kornfeld” entgegenfliege. Keine gute Altersvorsorge. 

Der steilste Abschnitt des Laufes 
Ein kurzer Rundumblick bei der Labe, ein paar hastige Blicke. Unter Moritz bebt die Erde. Auch mein eingeschworener Bergpartner nutzt die steilen Wege, um sich abzusetzen, ganz als wären ihm Flügel gewachsen und das
Spitzbübische einem Heiligenschein gewichen. Das Wasser tropft noch aus dem Mundwinkel, als ich die nächste Forststraße nach oben trabe. Wie ein Arbeitspferd, bei dem man gerade die Zügel straff angezogen hat. Statt zu wiehern,  wird monoton und unästhetisch geschnauft. Das wallende Haar und den kraftvollen Schopf gibt es nicht. Dafür Schmutz, der sich mit dem Schweiß zu einer reizlosen Masse mischt. Alles das, was man am Asphalt eben nicht hat. Optisch und gedanklich mit der Natur verbunden.

Das Labyrinth der Kelten

 
Warum tu ich das? Das Gelände steilt sich auf. Warum tu ich das? Die Gedanken entschwinden ins Leere. Kann das aufhören?  Der Weg wird flacher. Eigentlich macht’s mir ja Spaß. Es geht bergab, im Zickzack zwischen Wurzeln, vorbei an Totholz, ein Windstoß trifft auf das fahle Gesicht. Ja, das ist es. Das bin ich.
 
Endlos lang fühlen sich der Steyregger Graben und der Hacklweg an. Im Auf und Ab werden sie bewältigt, so dass sich die Beine möglichst nicht an die Belastung gewöhnen. Eine wirklich ausgesprochen ansprechende Strecke. Die Augen dürfen nicht nur wegen der vielen Unebenheiten nicht vor Hindernissen verschlossen werden, auch die Markierungen sind nicht immer gleich ersichtlich. Später müssen wir erfahren, dass Besucher des Kürnbergs gern ihre heilige Ruhe haben. Nur für sich. Markierungen werden absichtlich entfernt, Schilder abgenommen. Toleranz sollte auch im Sport das Fundament sein.
Der Reithgraben und der Mühlbachweg laufen an mir vorbei, wie ich es an ihnen tue. Das Läufer-Dasein offenbart sich in seiner schönsten Form: hier und jetzt. Alles andere ist sekundär. Dann wird es plötzlich alpiner. Der Prinzensteig führt schmal, erdig und anmutig schön nach Wilhering. “Genau unser Terrain” denke ich, bevor ich im Laub zwei Meter nach unten rutsche. “Einen Bergtod am Kürnberg brauch ich wirklich nicht” 
Endspurt
Krämpfe beginnen sich in die Waden zu schleichen. Ich verbiete ihnen mit der Kraft der Gedanken die Ausbreitung. Moritz schließt zu mir auf und durch einen Sumpf laufen wir dreckschleudernd den Sandweg entlang. Es ist nicht mehr weit, bis zum letzten Anstieg, bis zur Besteigung des Gipfels. Moritz erreicht den 526 Meter hohen Kürnberg zum ersten Mal. Wahrscheinlich hätte er ihn nicht in seiner Liste gebraucht, verdient ist er aber allemal. Rupertiweg heißt die Strecke, die zum hölzernen Kreuz führt. Der heilige Ruperti dürfte seinen Landsmann hier aber nicht unterstützt haben: Robert Gruber kürzt unwissentlich ab und kommt zweieinhalb Kilometer zu früh ins Ziel. Den Lauf hätte er auch so gewonnen, aus dem Rennen muss er trotzdem genommen werden. So kam es für den Salzburger doppelt dick: Disqualifikation und ein Demeter-Heim-Sieg.
Bis zum bitteren Ende: Alexander Steidl

Und weil Totgesagte länger leben, überholt uns auch noch Alexander Steidl auf den letzten Metern bergab zum ersehnten Forsthaus, dem Endpunkt einer matschigen Reise. Seinem Grinsen folgen ermunternde Worte. Moritz und ich beschließen gemeinsam ins Ziel zu laufen, um der gemeinsamen Qual ein würdiges Ende zu bereiten. “Hintereinander einlaufen, hintereinander einlaufen”. Der Zielbereich ist zu schmal, um aus dem Rennen einen Teambewerb zu machen. Ich lasse Moritz den Vortritt. Am Ende trennen uns elf Hundertstel.

Mayer (2.), Rosensteiner (1.), Egger (3) v.l.n.r

Matt, aber glücklich lassen wir den Wind um unsere geschundenen Beine peitschen. Die Siegerehrung in Leonding unterstreicht den professionellen Charakter einer Veranstaltung, deren Wermutstropfen fremdverschuldet ist. Liebe waldliebende Mitmenschen: Wir haben Beine wie ihr, wir setzen sie nur anders ein. Lasst uns laufen und wir lassen euch spazieren. Durch den Matsch und das dichteste Geäst.

Dem Bier, das die trockene Kehle befeuchtet, folgt der Gang auf die Bühne. Platz Zwei und Drei in unserer Altersklasse. Ein Händeschütteln, ein Grinsen, ein Foto und die Erinnerung an einen Lauf, der sich auch 2016 einen Platz im Kalender verdient hat. Dann vielleicht mit verständnisvolleren Mitmenschen.

ERGEBNIS HERREN:
1. Demeter Dick
2. Bernhard Goll
3. Oldrich Janececk
ERGEBNIS DAMEN:
1. Sigrid Herndler
2. Johanna Simmer
3. Bettina Freynhofer

Für jene, die es nicht mehr erwarten können, diene der GPS-Track zur Vorbereitung: