Von Ambros besungen, von Massen bestiegen: Der Watzmann und seine legendäre Ostwand, die knapp 2000m steil nach St.Bartholomä abfällt , ist sowohl leidenschaftlichen Alpinisten, als auch japanischen Allesknipsern hinlänglich bekannt. Ein unberechtigtes Schatten-Dasein fristet hingegen der “kleine Bruder”. Die Ostwand der Mittelspitze, durch die die Wiederroute mit dem wohl schönsten Band Berchtesgadens führt, ist zwar bei den Einheimischen sehr beliebt, doch dennoch kann der “Autobahn Berchtesgadens” das Prädikat “einsam” verleihen.

Der Watzmannstock hat mich schon ,seit ich das erste Mal davon hörte, in seinen Bann gezogen. Zuviele Sagen und Mythen ranken sich um die drei Gipfel des Hochecks, der Mittelspitze und der Südspitze. Als Wolfgang Ambros aus Jux und Tollerei das Musical “Der Watzmann ruft” gebar, war ihm nicht bewusst, was er Berchtesgaden damit für einen Ruf verschafft. Weit unten der Königssee, hoch oben die schroffen Bergflanken und seine Besteiger, nur beschützt von der wohligen Wärme des Watzmannhauses.

Angereist sind Moritz und ich bereits am Vortag um unsere Biwak-Tour 2014 am Königssee fortzusetzen. Nach einem kulinarischen Verbrechen bei Amerikas Fettmacher-Industrie und einem Schlendrian entlang des Sees geht es bei angenehmen 14 Grad ins Zelt. Das steht vorerst frech am Parkplatz, verschwindet aber später vor allem wegen der angetrunkenen Berchtesgadener-Jugend, die es sich in der Disco Kaserbar gibt, in schattigere Gefilde.


Das Zelt (verbotenerweise) am Parkplatz Königssee

Trödelei und die Wärme des Schlafsacks lassen uns am nächsten Tag erst kurz vor 07.00 Uhr den Weg aus dem Nebel des Grauens Richtung Kührointalm antreten. Nach rund 75 Minuten ist diese im Eilschritt erreicht und wir lassen uns auf einen kurzen Kaffee nieder und können erstmals das Wiederband in der Ostwand einsehen.

Ein herrlicher Tag kündigt sich auf dem Weg zur Kühroint Alm an
Blick auf die Watzmannfrau (links) und die Ostwand der Mittelspitze (rechts)

Vorerst noch am markierten Normalweg Richtung Watzmannhaus, zweigen wir nach etwa zehn Minuten auf gut ausgetrenenem Pfad ins Watzmannkar nebst der Dame des Königs ab. Beschwerliche Schuttpassagen folgen, der Ausblick aber entschädigt.

Im Watzmannkar (Voraus aus das vierte Watzmannkind)

Langsam aber sicher erreichen wir den Watzmann-Gletscher, der uns mit seinen eisigen Überresten zur Konzentration zwingt. Wir queren die sterblichen Überreste besserer Zeiten und quälen uns kurz einen Schutthang hoch. Hier aber wenden wir uns nach links und erklettern den Einstieg, bevor wir noch weiterhin Maulwurf spielen müssen.

Blick aus dem Kar in die nebelverhangenen Täler
Die traurigen Überreste einstig eisiger Herrschaft
Die letzten Meter zum Einstieg

Den Einstieg erreicht, montieren wir unsere Helme um die geistige Existenz nicht zu gefährden. Ingesamt sind heute acht Personen in der Wand und gerade die Einstiegsrinne schreit bereits von Weitem “Steinschlag”. In luftiger, aber technisch unschwieriger Kletterei (II) geht es die Rinne empor, bevor uns Steinmänner zum herrlichen Wiederband leiten. Wir klettern aber meist an der rechten Begrenzung der Rinne um die Steinschlaggefahr zu minimieren und den Abenteuerfaktor zu maximieren. Ein wahrer Hochgenuss.

Durch die Rinne zum Beginn des Wiederbandes
Luftig, aber unschwierig geht es aufwärts

Das Wiederband, auch die “Autobahn Berchtesgadens” genannt führt uns in Folge meist im Gehgelände zum Bandwächter (kurz Stellen I-II), einem auffälligen Felsblock, der der besseren Orientierung dient. Die wunderbaren Rillen und Platten des Wiederbandes machen großen Eindruck auf uns und so lassen wir uns Zeit um dieses Wunder der Natur zur Gänze auszukosten.

Moritz pausiert am Wiederband
Einer der schönsten Spaziergänge unseres Lebens

Am Bandwächter vorbei, erreichen wir das Steigbuch (2003) und können erstmals die “große Ostwand” einsehen, die sich Moritz vergangene Woche zu Gemüte führte. Wir pausieren kurz und lassen das herrliche Ambiente auf uns wirken. Er wurde nicht umsonst besungen, dieser Prachtberg.

Beim Steigbuch angelangt gibt es eine “Genusspause”

Nun geht es eine Rinne empor (III-) und roten verblassten Punkten folgend gibt es luftige Querungen und herrlich kletterbare Risse. Im Großen und Ganzen wurde mit Steinmännern für eine äußerst mühelose Routenfindung gesorgt.

In dieser Tonart geht es durch die gesamte Wand
Die legendäre Watzmann-Ostwand

Eine letzte Querung führt uns schließlich zur schuttigen Ausstiegsrinne (I-II). Auch der Masssenbetrieb am Grat ist bereits gut einsehbar. Auf die Rinne verzichten wir aber und bleiben direkt auf den Felsen, die sich gratähnlich direkt zum Kreuz ziehen. Hier sehr plattig (II+), aber viel schöner und lohnender als der Rinnenaufstieg.

In den Platten nebst der Ausstiegsrinne

Direkt am wackeligen Kreuz der Mittelspitze (Kein Wunder muss es doch täglich für hunderte Gipfelfotos herhalten) steigen wir aus der sonnigen Wand und freuen uns über ein wahres Watzmann-Schmankerl. Da wär wohl sogar der Woifal Ambros neidisch.

Wir legen uns nun über eine Stunde in die Sonne und beobachten das rege Überschreitungstreiben. Vom trittsicheren Überläufer bis zum schlotternden Überquäler ist wieder alles dabei und wir haben unsere Freude. Besonders aber mit der grandiosen Aussicht.

Am Gipfel der Watzmann-Mittelspitze (2.713m)

Da aber auch die faulste Sau nur ein Schwein ist, müssen auch wir an den Abstieg denken. Wir folgen also dem Überschreitungsweg zum Hocheck, wo wir das herrliche brunzelnde Biwak inspizieren (Menschen sind halt auch nur Tiere).

Auch am Hocheck lassen wir uns nieder- hat das Watzmannhaus doch seit heute Vormittag geschlossen und das kühle Nass eines Hopfenpagos muss noch warten.

Am Weg zum Hocheck
Blicke in die Ferne: Moritz am Hocheck-Gipfel
Das bereits geschlossene Watzmannhaus mit dem vorgelagerten Winterraum

Vorbei am Watzmannhaus geht es über den Falzsteig zurück zur Kührointalm. Im Laufschritt absolvieren wir den erdigen Steig, doch ein alpiner Mitstreiter lässt uns kurz inne halten. An seinem klassischen Kopftuch meine ich Martin  zu erkennen, mit dem ich schon das ein oder andere Mal in den Bergen gewildert habe (bitte nicht wörtlich verstehen!).Und tatsächlich. Wie es der Zufall so will hat sich der Gourmet heute die Watzmannkinder zu Gemüte geführt und steigt ebenso zur Alm ab. Freudig über die Begegnung gibt es noch Kuchen, Kaffee, Bier und Weißwürste (Mia san Mia). Um noch ein bisschen plaudern zu können, steigen wir mit Martin zum Parkplatz Hammerstiel ab, wo er uns wieder zurück zum Königssee chauffiert.

Am Weg zur Kühroint-Alm noch ein letzter herbstlicher Blick in die traumhafte Welt der Berchtesgadener

Zufrieden über eine gelungene Tour blicken wir zurück zum “Watz” und versprechen ihm baldiges (winterliches?) Wiedersehen.

Fazit: Eine wahnsinnig lohnende Tour im Schatten der Ostwand mit zahlreichen verschiedenen Eindrücken. Zur Schwierigkeit: Meiner Meinung schwankt der Grad zwischen II+ und III-, siedelt sich aber eher im oberen II. an. Wer die direkte Variante zum Gipfelkreuz nimmt, muss aber mit Stellen bis III rechnen.

Leuchtende Tage im deutschen Himmel auf Erden! Um in diesem noch länger zu verweilen, empfehle ich heute einen dringenden Blick ins Fotoalbum: