Die bergaufundbergab-Mitglieder Gabriel Egger und Moritz Mayer haben den Hüttenwirt der Gmundner Hütte auf dem 1.691m hohen Traunstein besucht und mit ihm über das Leben über den Wolken gesprochen.

 















Text von Gabriel Egger
Bilder von Moritz Mayer

Eine dicke Wolkendecke hat am Traunstein gerade blauem Himmel und einem  beeindruckenden Blick zum über 1.000 Meter tiefer liegenden Traunsee Platz gemacht, als wir die Tür zur Gmundner Hütte öffnen. Die Luft ist feucht. Der Regen hat die Landschaft in ein saftiges Grün getaucht und lässt sie frisch geduscht und ausgehtauglich wirken. Der Geruch von frischem Kaffee überdeckt für kurze Zeit das hausgemachte Aroma der nassen Kleider, während das Knarren der hölzernen Türe das geplagte Schnaufen übertönt.  Neben einer warmen Stube empfängt uns auch ein freundliches Lächeln. Zwei Dinge, die nicht nur am Berg für Wohlempfinden sorgen.

“Sind wir ganz alleine?” frage ich und blicke mich in der “Gmundner Stubn” um. “Nein, jetzt sind wir zu dritt” antwortet der Mann in der roten Schürze und lacht. Gerald Auinger arbeitet seit zwölf Jahren in 1.661 Metern Seehöhe auf dem Traunstein.  Gemeinsam mit seiner Frau Sandra und seinen beiden Mitarbeitern Max und “Pesef” lenkt er von Anfang Mai bis Ende Oktober die Geschicke der Alpenvereins-Hütte auf dem sogenannten Fahnenkogel des Traunsteins. Seit er 1992 einen Monat im Sommer als Wirt auf der Hütte eingesprungen war, loderte das Feuer der Leidenschaft in ihm auf und die Glut reichte, um nicht mehr nachlegen zu müssen.
Gerald ist kein Unbekannter in der Gastronomie. Seit 23 Jahren arbeitet er als Koch, oft zog es ihn ins Gebirge. Auf der Adamekhütte am oberösterreichisch-steirischen Dachstein, als auch am Krippenstein, sorgte der gebürtige Gmundner für das leibliche Wohl der Gäste. Am Traunstein hat er nun seine Berufung gefunden und auch am Hüttenumbau zum 100-jährigen Jubiläum 2007 tatkräftig mitgewirkt.

“Das unkomplizierte Publikum und die vielen Seiten der Natur, die ich immer wieder kennenlernen darf, haben ihren Reiz nicht verloren” sagt Auinger, der auf das Facettenreichtum seiner Arbeitsstelle hinweist. Um 06.00 Uhr läutet der Wecker im privaten Schlafgemach und wenig später steht er bereits in der Küche und heizt den Ofen ein. Für die Nächtiger gibt es Frühstück, die Tagesgäste wollen mit Suppe versorgt sein. Nach dem ersten Abwasch und einer gründlichen Reinigung der Hütte, soll schon wieder das Mittagessen auf dem Tisch stehen. Am Nachmittag wäre eine Jause und ein Bier nicht verkehrt. Mehr als 200 Tagesgäste empfängt Gerald mit seinem Team an einem Tag in der Hochsaison. Um den Besuchern genügend frische Speisen servieren zu können, wird das Brot selbst gebacken. Einmal im Monat kreist auch der Hubschrauber um die Gmundner Hütte. Der Versorgungsflug garantiert auch an stark frequentierten Tagen einen reibungslosen Ablauf.

Hüttenwirt Gerald Auinger vor seinem Schmuckstück. Im Hintergrund der Gipfel des Traunsteins

“Es wäre falsch, nur an den Verdienst zu denken”

An einen dieser Flüge wird sich der motivierte Hüttenwirt noch lange erinnern. Kurz vor einem Abtransport von leeren Bierfässern, löste sich eines davon aus dem Netz und kullerte den Berg hinunter. Wenig später erreichte ihn ein Anruf der Gendarmerie Gmunden: “Schmeißt’s ihr noch was nach, oder war’s das?”. Ein besorgter Bergsteiger hatte die Polizei um Hilfe gebeten, weil ihm beim Aufstieg ein Bierfass entgegenkam. “Das passiert einmal und nie wieder. Das Bierfass ist aber nicht mehr aufgetaucht” sagt Gerald. Gleich nach dem Unfall wurde eine Absperrsicherung eingebaut. Wenn nach einem Hüttenabend die Gäste die knapp 40 Lager- und 8 Zimmerplätze auffüllen, ist es für Gerald noch nicht vorbei.

“Es ist nie nichts zu tun, das stellt man sich meistens schöner vor, als es ist” berichtet Auinger, der sich nicht nur als Hüttenwirt um seine Gäste kümmert. Als Musiker bereichert er die lustigen Abende, bei denen es auch manchmal etwas länger werden darf. Dann wird gemeinsam gesungen, getanzt und gelacht.  Auch als Hobbypsychologe muss sich Gerald manchmal bewähren. “Es kommt schon vor, dass mir Gäste stundenlang ihr Herz ausschütten. Dann rede ich auch mit ihnen. Es wäre falsch, nur an den Verdienst zu denken” sagt Auinger, der auch auf das freundschaftliche Verhältnis zum Naturfreundehaus am anderen Ende des weitläufigen Plateaus hinweist.

Ein kuscheliges Lager auf der Gmundner Hütte

Von Konkurrenzdenken will Gerald nichts wissen, dazu sei das Einzugsgebiet rund um den Traunstein viel zu groß. “Wenn zwei Wirte zuviel wären, dann wäre einer schon weg” sagt Auinger und ergänzt: “Jeder macht seine Sache gut. Auf die eigene Art und Weise”. Während das Naturfreundehaus mit Modernität besticht, setzt die Gmundner Hütte auf Althergebrachtes. “Vielleicht bedienen wir mehr das Bergsteiger-Klischee” weiß auch der Hüttenwirt von der gemütlichen Atmosphäre, die den Gast umgibt.

Wenn es am Traunstein brenzlig wird, ist Auinger ebenfalls zur Stelle. Als ehrenamtliches Mitglied der Bergrettung hat er schon oft verirrte Bergsteiger aus unangenehmen Situationen befreit. Meistens handelt es sich aber um die Sichtung von Lichtzeichen, denen er nachgehen muss. Der Traunstein ist ohnehin kein Berg, mit dem man zu leichtfertig umgehen sollte. Jeder Anstieg auf den vielzitierten “Wächter des Salzkammergutes” ist steil und dauert durchschnittlich drei Stunden. Das weiß auch der Hüttenwirt selbst, steigt er doch wöchentlich zwei Mal zu seiner Arbeitsstelle auf und wieder ab.

“Das Bewusstsein über die Gefahren am Traunstein ist durchaus vorhanden. Das merkt man auch am Wetterbericht” sagt Auinger. Durch das angesagte Wetter, weiß der erfahrene Bergsteiger genau, mit wievielen Besuchern er rechnen kann. Dazu kommen die eingefleischten Stammgäste. Ein 83-jähriger Mann fährt gar mit dem Rad von zu Hause an den Fuße des Berges und steigt die steilen Flanken empor. “Er freut sich jedes Jahr aufs Neue über die Besteigung. Diese Lebensfreude ist ansteckend” freut sich auch Gerald mit dem aktiven Pensionisten mit. Viele kommen mehrmals in der Woche.

“Wollt ihr noch was?” fragt Gerald freundlich. Mittlerweile sind wir auf die Terrasse der Hütte gewechselt. Von hier aus hat man einen famosen Blick in die abweisenden Nordwände des Toten Gebirges. Ein wenig oberhalb kann man den See beobachten, wie er  mit dem berühmten Schloss Ort um die Wette funkelt. Der Blick ins Flachland reicht an klaren Tagen bis weit über die tschechische Grenze hinaus. Die Sonne geht langsam unter und ihre zarten Strahlen durchbrechen immer wieder die Wolkendecke. Ein Sonnenuntergang am exponierten Plateau ist wahrlich ein Naturschauspiel.
Gerald hat sich inzwischen wieder sein obligatorisches Kleidungsstück übergezogen. In der roten Schürze kredenzt er uns eine köstliche Bärlauchcremesuppe.

Auch abseits der wärmenden Suppen, die für jeden Bergsteiger schon einmal der Inbegriff von Rettung in der Not wurden, kann sich die Speisekarte sehen lassen. “Natürlich sind auch deftige Sachen wichtig, um wieder zu Kräften zu kommen” schmunzelt Gerald und denkt an jenen Mann zurück, der für den Aufstieg ganze zwei Tage benötigte. “Er hat in den Latschen geschlafen und ist am zweiten Tag zu mir gekommen. Ich hab ihn dann mit Tee aufgepäppelt” berichtet Auinger.

Gabriel und Gerald auf der Panorama-Terrasse der Gmundner Hütte

 

Gerald in einer seiner zahlreichen Funktionen: Als Koch der Gmundner Hütte

Eine Bühne über den Wolken

Auch im privaten Bereich macht Gerald aus seiner Liebe zu den Bergen keinen Hehl. Waren es die hohen Gipfel in der Schweiz oder das Trekking in Nepal, der Gmundner war schon immer eng mit der Natur verbunden. Als besonderes Highlight ist ihm Ecuador in Erinnerung geblieben. “Am Cotopaxi auf fast 6.000 Metern zu stehen, ist ein einzigartiges Gefühl” erzählt Auinger, der sich selbst eher als Ausdauersportler, als als Erklimmer vertikaler Wände sieht. “Dafür ist der Bauch zu groß” lacht der sympathische Wirt. Seit Sohn Sebastian auf der Welt ist, gilt Geralds Aufmerksamkeit mehr dem siebenjährigen Sprössling und weniger dem Erkunden neuer Routen.
In den Wintermonaten betreibt er eine kleine Landwirtschaft und ist als Musiker tätig. Den Traunstein sieht Gerald als eine große Bühne, auf der immer wieder die verschiedensten Stücke gespielt werden.  Manchmal sind sie traurig, manchmal lustig und manchmal will man schon in der Pause gehen. Doch sie alle sind es wert, gesehen zu werden. Wenn der Nebel vom Tal heraufzieht und ein Gewitter alle Vorhänge fallen lässt, sitzt Gerald in der ersten Reihe. Und wenn ein grandioser Sonnenuntergang als Abschiedsapplaus fungiert, ist Gerald der Letzte, der den Saal verlässt.

In Anlehnung an das Traunsteintheater hat das Team der Gmundner Hütte das Kino über den Wolken eingeführt. Bei Schönwetter fungiert dann die Ostseite der Hütte als große Leinwand und die Besucher dürfen sich über kulinarische Köstlichkeiten freuen.

Mittlerweile steht die Sonne schon sehr tief. Ein letzter Blick auf den aktuellen Wetterbericht, lässt Gerald ein letztes Mal die Schürze anziehen. Sonniges Wetter ist angesagt und die hungrigen Bezwinger des Felskolosses am Ufer des Traunsees wollen bestens versorgt werden.

Wenn wir uns ins Tal verabschieden, bereitet Gerald den nächsten Tag vor

 

Moritz in der Gaststube der Gmundner Hütte
Auch der Blick aus dem Fenster der Gaststube weiß zu begeistern

Ein letzter Blick über das Plateau des Berges und wir steigen über den Hernlersteig, der direkt zur Hütte führt, wieder zurück ins Tal. Gerald verabschiedet sich mit einem Handschlag. Am Traunstein heißt es wirklich noch “Auf Wiedersehen”.

Bis zum nächsten Mal auf der Gmundner Hütte




DIE GMUNDNER HÜTTE AUF DEM TRAUNSTEIN

  • 1.661 Meter Seehöhe
  • Eröffnet im Oktober 1907
  • Generalsanierung im Jahr 2007
  • 15 Minuten vom Gipfel des 1.691 Meter hohen Traunstein entfernt
  • Geöffnet von 1. Mai bis Ende Oktober
  • Direkt erreichbar über den Hans-Hernlersteig (Schwierigkeit A bis B) oder über den Traunsee-Klettersteig (Schwierigkeit D)
  • Im Besitz des Alpenvereins
  • Gepachtet von Gerald und Sandra Auinger
  • Kontakt: www.gmundnerhuette.at, 0699/12643190